140 - Zombies auf der Reeperbahn
ich suche
einen Matrosen namens Termans. Piet Termans ... ich muß ihm etwas Wichtiges
ausrichten .«
Aus den Augenwinkeln sah Martens, daß die
drei anderen Gestalten sich umdrehten. Der große Schwarze, den er beim Betreten
des Schiffes wahrgenommen hatte, war dagegen verschwunden.
Martens hatte auch keine Zeit, sich über
diese Merkwürdigkeit Gedanken zu machen.
Er spürte mit aller Beklommenheit eine
tödliche Gefahr. Er wußte nicht, warum das so war, er hatte keine Erklärung
dafür. Aber alles wies darauf hin, daß er dieses Schiff nicht mehr lebend
verlassen sollte.
Mit roboterhaften Bewegungen steuerten die
drei Matrosen auf ihn zu, während der Kapitän einen knurrenden Laut von sich
gab und mit scharfem Ruck seinen Enterhaken aus dem Holzblock riß, um den Angriff
auf den ungebetenen Gast zu wiederholen.
Martens, der Tennis spielte und ein
ausgezeichneter Reiter war, warf sich nach vorn, ehe der mordlüsterne Kapitän
vollends ausholen konnte.
Der junge Arzt stieß dem Gegner beide Fäuste
mit solcher Wucht vor die Brust, daß dieser zurücktaumelte. Dabei verfing sich
sein rechter Fuß in einem zusammengerollten Tau.
Der Kapitän taumelte und riß beide Arme hoch,
um den Sturz abzufangen.
Da war Martens auch schon über dem Angreifer,
umklammerte das Handgelenk des Gegners und drehte es blitzschnell herum.
Der Enterhaken entfiel den Fingern. Aber das
war noch nicht alles.
Im Armgelenk knirschte es trocken, und die
ganze Hand drehte sich um hundertachtzig Grad.
Der Kapitän schrie nicht vor Schmerzen, noch
zuckte er zusammen.
Klaus Martens war es, der vor Überraschung
und Grauen brüllte.
Er sah mit seinem fachlich geschulten Auge
den breiten Riß in der trockenen, spröden Haut, die wie welkes Laub raschelte.
Seine Verteidigungsmaßnahme hätte höchstens
zu einer Muskelzerrung führen können, und die war von ihm beabsichtigt, denn
nur so war er gewiß, sich seines mordlüsternen Gegners erwehren zu können.
Was wirklich daraus wurde, entsetzte den
Verteidiger am meisten.
Es kam kein Tropfen Blut!
Der Mann vor ihm war ein medizinisches
Wunder.
Martens war vier, fünf Sekunden wie gelähmt.
Dieses Zögern hatte verhängnisvolle Folgen.
Die drei anderen waren heran, streckten ihre
Hände nach ihm aus, und in den stupiden, ausdruckslosen Gesichtern, in den
dunklen, mattschimmernden Augen erblickte Martens sein Todesurteil.
Das waren keine Menschen mehr!
Obwohl sie lebten ... nein, das war der
falsche Begriff. Sie bewegten sich nur noch wie Marionetten, waren leere
Hüllen, die ein unfaßbarer, unbekannter Wille antrieb. Das waren - lebende Tote!
Zombies! Ein normaler Körper konnte ohne Blut nicht existieren.
Da fühlte er auch schon den Zugriff der
harten Hände. Die Fingernägel der Unheimlichen, die über ihn herfielen, bohrten
sich durch seine Jacke.
Klaus Martens wußte nicht, woher er die Kraft
nahm, um sich überhaupt noch zur Wehr zu setzen.
Er schlug und trat um sich, und während er
scheinbar überall hin ziellos agierte, kam ihm der Enterhaken zwischen die
Finger.
Den setzte er ein.
Die scharfgebogene Spitze riß dem einen
Untoten, der ihn zu Boden drückte, die Jacke und das Hemd auf. Und nicht nur
das.
Er drückte die Spitze so heftig gegen seinen
Widersacher, daß diesem der morsche Brustkasten
aufriß. Und wieder kam kein Blut! Die Gestalt war nichts Lebendiges mehr. Sie
war ein Roboter, beauftragt, zu töten ...
Martens wehrte sich mit dem Mut der
Verzweiflung.
Er trat einen Zombie zur Seite, rollte sich
über die Planken und war im nächsten Moment auf den Beinen, ehe die beiden
anderen Untoten ihn ebenfalls greifen konnten.
Sie bewegten sich alle.
Der Kapitän mit der nach außen gedrehten Hand
torkelte ebenso auf ihn zu wie der mit dem Loch im Brustkasten.
Nichts wie weg hier!
Martens’ Herzschlag raste, und der Schweiß
brach aus seinen Poren.
Der Mann lief wie nie zuvor im Leben, sprang
über ein zusammengerolltes Tau, jagte dem Steg entgegen und verließ das Schiff,
auf dem er die seltsamste und unerklärlichste Begegnung seines Lebens hatte.
Ängste seiner Kindheit stiegen in aller
Farbigkeit wieder in ihm auf, Dinge, die er längst vergessen glaubte, wurden
wieder an die Oberfläche des Bewußtseins geschwemmt.
Ein dunkler Keller, Kinder, die darin
Verstecken spielten ... Er suchte sich die hinterste und dunkelste Ecke aus,
weil er meinte, dort vor der Entdeckung am sichersten zu sein.
Aber dann wuchs eine Gestalt neben ihm auf,
groß und
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