1408 - Ein Tropfen Ewigkeit
Dinge in ihrer Wohnung aufzubewahren; Crude hatte sich aus keinem anderen Grund in die Todeszone begeben als dem, etwas von den Vorräten für sich und das Kind zu holen.
Als Monka in seine Behausung zurückkam, wartete Besuch auf ihn.
Es war Crude. „Ich wollte mal unseren neuen Nachbarn begrüßen", sagte er. Dann nannte er seinen Namen und den seiner Gefährtin und fragte übergangslos: „Warum hast du mich verfolgt?"
„Auch ich interessiere mich für meine Nachbarschaft", sagte Monka. „Man hört und spürt nichts von euch, so als wäret ihr gar nicht vorhanden. Das machte mich neugierig."
„Du hättest nur rüberkommen und uns zu fragen brauchen", sagte Crude; Monka konnte sein Mißtrauen fast körperlich spüren: Crude sonderte jene Art von Schweiß ab, die die Drüsen nur ausstoßen, wenn sich Angst, Besorgnis und Argwohn miteinander paaren.
Monka erzählte freimütig, daß er heruntergestuft worden war, weil er einen Widersacher unter falschen Angaben denunziert hatte - er stellte sich als richtigen Fiesling hin, um Crude später nicht etwa zu enttäuschen, wenn er dessen Existenz zerstören mußte. Er hätte gleich zuschlagen können, um Zeit zu sparen, wollte sich aber noch ein Bild von den Leuten machen, denen er an den Kragen wollte.
Crude war keine üble Erscheinung, er hatte immer noch so etwas von Bürgerstolz an sich. „Aber ich werde mich schon wieder emporarbeiten", sagte Monka selbstsicher. „Ich brauche nur ein oder zwei gute Abschüsse, dann kehre ich in die Bürgerwelt zurück."
„Hast du Erfahrung als Töter?" erkundigte sich Crude. „Für alles gibt es ein erstes Mal, aber es kann doch nicht so schwer sein", meinte Monka leichthin, und er merkte, daß sein Gegenüber erleichtert aufatmete. Gewiß dachte Crude in diesem Moment, daß er ihm etwas voraus habe. Das amüsierte Monka; die Fehleinschätzung des anderen machte das Spiel nur um so faszinierender. „Ich habe noch ein kleines Guthaben, einen Bonus für Genußmittel, oder was man hier so darunter versteht", sagte Monka. „Wie war's, wenn ihr beiden meinen Abstieg in den Winter mit mir feiert? Ich lade euch ein."
„Woher weißt du, daß ich nicht allein bin?" fragte Crude argwöhnisch. „Du vergißt, woher ich komme", sagte Monka herablassend. „Man hat so seine Beziehungen, und man will sich die neuen Nachbarn schließlich aussuchen. Du und deine Wärmflasche erscheint mir noch als das geringste Übel.
Immerhin wart auch ihr mal dem Zentrum der Welt näher."
Crude hatte einen kurzen Ausstoß von Zorn-Schweiß, als Monka seine Geliebte als „Wärmeflasche" bezeichnete, aber er riß sich zusammen. „Nim fühlt sich nicht wohl, ich fürchte, daß sie uns nicht begleiten kann, aber ich nehme deine Einladung gerne an", sagte Crude. „Wann?"
„Am Ende dieser Dunkelperiode", sagte Monka. „Wäre dir das recht? Ich hab' mich noch nicht an die Dunkelheit gewöhnt."
„In Ordnung", sagte Crude und ging zur Tür. „Ich hole dich ab."
Monka zog den Phonmesser mit Verstärker hervor und preßte den Horcher gegen seine Tür. Das Gerät registrierte sieben Töne, und die Anzeige schlug zweimal kurz und nach einer Pause wieder dreimal und danach noch zweimal aus.
Das war also das verabredete Klopfzeichen.
*
War das ein übles Loch, in das Crude ihn da schleppte. Aber der Kinderdieb versicherte, daß man hier das reinste Wasser der ganzen Winterwelt bekäme, „nicht öfter als zwei dutzendmal gewaschen".
Und Crude trank tatsächlich nur Wasser pur; Monka konnte ihn nicht dazu überreden, etwas Härteres zu sich zu nehmen. „Es klingt blöd, aber ich hänge am Leben", plauderte Crude drauflos, nachdem das Wasser seinen trockenen Gaumen geschmiert hatte. „Darum lebe ich so gesund. Keine Ausschweifungen, keine Drogen, keine Verfehlungen. So erbärmlich dieses Leben auch ist, ich will es bis zum letzten Augenblick auskosten.
Den Schinder möchte ich erst sehen, wenn meine Uhr abgelaufen ist."
Und Crude ließ sein Glas nicht los.
Monka fand keine Gelegenheit, ihm die Wahrheitspille ins Glas zu geben.
Schließlich verlor er die Geduld und entschloß sich zu der direkten Methode.
Als Crude das Glas an die Lippen heben wollte, den Mund zum Trinken spitzte, packte ihn Monka mit einer Hand am Unterkiefer und drückte so fest zu, daß Crude den Mund vor Schmerz aufriß - dann schob er ihm die Pille hinein, goß den Inhalt des Glases hinterher und hielt ihm anschließend den Mund zu.
Crude versuchte zu spucken
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