1412 - Die Hellseherin
klingenden Stimme. »Erstich diese Frau, die du hasst…«
***
Glenda und ich betraten das Haus durch die Hintertür und erlebten zunächst eine Enttäuschung, denn vor uns ballte sich die Dunkelheit zusammen.
Als Glenda dann die Tür zuzog, verschwand auch der letzte Rest an Heiligkeit. Wir standen in einer völlig finsteren Umgebung, in der wir einander nicht mehr sahen.
Doch ich hörte Glendas Stimme in meiner Nähe. Die Worte waren nur ein Flüstern. »Irgendwo muss es weitergehen. Das gibt es nicht, dass ein Haus keinen Flur hat. Und ich sage dir eines, John. Ich spüre sie. Ja, ich spürte sie verdammt genau.«
»Was denn?«
»Diese Strömungen. Das Andere, das sich etabliert hat. Es ist unsichtbar, aber es sind die Wellen, die ich spüre. Das weiß ich genau.«
»Haben sie auch einen Ursprung?«
»Ja, den haben sie…«
»Wo?«
»Er ist es, John. Nur er. Ich spüre ihn so nah, als bräuchte ich nur die Hand auszustrecken, um ihn zu greifen.«
»Also Saladin.«
»Sicher. Seine Wellen, seine Strömungen… verdammt, er hat irgendwie noch immer Macht über mich.«
Glenda brauchte Trost, und ich legte den Arm um sie. Ich merkte ihr starkes Zittern und drückte sie fest an mich.
»Okay, wir werden es schaffen, Glenda. Bisher haben wir Saladin noch immer in die Schranken weisen können.«
»Ist schon gut«, flüsterte sie. »Irgendwie ist man auch nur ein Mensch.«
»Das macht uns eben so sympathisch.«
»Danke.«
Ich dachte schon wieder einen Schritt voraus. Vor dem Haus hatten wir den Opel Omega gesehen, der meinem deutschen Freund Harry Stahl gehörte, aber eigentlich hätte ich Harry hören müssen, vielleicht auch Dagmar, doch in diesem verdammten Haus war es totenstill, und auch von seiner Besitzerin war nichts zu vernehmen.
Stille und Dunkelheit. Also lupfte ich die Lampe aus meiner Tasche. Der Strahl würde Licht ins Dunkel bringen, und das im doppelten Sinne des Wortes.
Ich leuchtete um mich. Glenda hatte mich losgelassen und schaute ebenso in die Runde wie ich.
Es war nicht viel zu sehen. Wir befanden uns in einem Flur, aber es ging nicht nach vorn, wie man hätte eigentlich annehmen müssen, dieser Flur zog sich vor uns in die Breite, und so schauten wir gegen eine Holzwand.
Im ersten Moment waren wir beide überrascht, weil wir damit nicht gerechnet hatte.
»Was ist jetzt?«, fragte Glenda.
»Es muss weitergehen.«
Sie nickte und schaute zu, wie ich mich von ihr wegbewegte und parallel zur Wand schritt. Irgendwo musste sie unterbrochen sein.
Und wenn es nur eine geschlossene Tür war.
Ja, ich fand sie. Nicht durch Zufall, sondern durch genaues Hinschauen.
Die Tür schloss fast nahtlos mit der Holzwand ab. Ich leuchtete an ihr herab und war überrascht, dass ich kein Schloss fand und auch keine Klinke.
War die Tür fest geschlossen, oder ließ sie sich aufdrücken?
Ich legte meine Handfläche gegen das Holz.
Ein wenig Druck reichte aus, und die Tür bewegte sich nach innen.
Sie quietschte nicht, sie knarzte auch nicht, sie ließe sich leicht aufschieben.
Sicherheitshalber hatte ich meine kleine Stableuchte ausgeschaltet.
Ich wollte niemanden auf uns aufmerksam machen. Zuerst glaubte ich, von einem Dunkel ins andere getreten zu sein. Das Bild blieb nicht lange besteben. Es war zwar vor uns auch dunkel, aber in Höhe des Boden sickerte auf einer Breite von einigen Metern ein etwas flackriges Licht. Den Eindruck bekam ich. Es war jedenfalls kein normales Licht, und das Hindernis vor mir nahm ich ebenfalls nicht als normal wahr.
»Was ist das?«, raunte Glenda.
»Keine Ahnung.«
Nach dieser Antwort ging ich vor. Meine Füße setzte ich so leise auf den Boden, dass kein Laut zu hören war.
Glenda verhielt sich ebenso.
Ich musste drei Schritte gehen, dann streckte ich meine rechte Hand aus. Die Finger fassten gegen kein starres Hindernis, sondern gegen ein weiches und nachgiebiges. Es war also keine Wand, vor der Glenda und ich standen, und unter meinem Druck bewegte sich ein schwerer Samtstoff, der praktisch bis hinab zum Boden reichte.
»Und, John?«
»Das ist ein Vorhang.«
»Ich spüre ihn!«, flüsterte Glenda dicht hinter mir. »Saladin ist da. Fast zum Greifen nahe.«
Jetzt hörten wir Stimmen jenseits des Vorhang. Recht leise, weil der schwere Stoff stark dämpfte.
Wir lauschten beide.
»Ich höre Saladin«, wisperte Glenda.
»Und die anderen Stimmen?«
»Keine Ahnung. Harry und…«
Ich hob nur die Schultern, aber ich wusste auch, dass wir nicht lange
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