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der Rega tätig, weil die Arbeit eindeutig ist und dringlich. Weil sie Sinn macht. Deshalb funktioniert der Mittelbau selbst in instabilen Führungszeiten tadellos. Denn auch eine solche Vorbild-Institution ist vor Krisen, Machtkämpfen, Anfeindungen nicht gefeit. Patientin und Patient spüren davon nichts. Sie hören den Heli am Himmel knattern und atmen auf: «Zum Glück gibts die Rega!»
Das Buch gibt dem Mythos Rega ein Gesicht – viele Gesichter. Die Rega lebte und lebt von ihren Pionieren, ihren Mitarbeitenden: den Einsatzleiterinnen, Piloten, Rettungssanitätern, Ärztinnen, Gönnerbetreuern … Sie beleben täglich den Geist der Institution.
Im April 2012
Franziska Schläpfer
Pioniere
«Die rechte Zeit ist nur ein Augenblick»
Georg Hossli, Notarzt
Georg Hossli, Pionier der Intensivmedizin
und Notarzt an der Front
«Das ist mein Leben.» Georg Hossli klappt den letzten Fotoband zu. Stundenlang hat er erzählt, als wäre es gestern gewesen. Kaum zu glauben, der Mann ist neunzig. Prägte die moderne Anästhesie in der Schweiz. Wissenschaftler, Professor, Familienvater, Notarzt im Dienst der Rega. Ein Leben? Zwei, drei, vier. Er deutet zum Waldrand neben seinem Haus in Witikon, hier habe er jeweils auf den Helikopter gewartet, und berichtet von allerlei Fällen – bis mir ist, als würde der Heli gleich über die Wipfel rattern.
Der einwöchige Papstbesuch im Juni 1984 war ein Höhepunkt. Er lacht: «Ich bin gottlob katholisch!» Erstmals hatte die Schweiz einen Papst zu Gast: Johannes Paul II. Die Rega war für sein gesundheitliches Wohl zuständig. Von Genf nach Fribourg flog das Kirchenoberhaupt mit der Crossair. Dort wartete der «Papst-Heli», ein aufgerüsteter Super Puma. Und die Bölkow BO 105 der Rega mit Pilot Ueli Soltermann, Flughelfer Heinz Enz und Notarzt Georg Hossli. «Wir flogen direkt hinter dem Papst, als erster der sieben Begleithelis. Bei allen Anlässen und Messen stand ich im roten Rega-Gwändli mit Heinz Enz und Notarztkoffer in der Nähe des Papstes. Die erste Nacht in Fribourg war er im Priesterseminar untergebracht; ich lag im Zimmer neben ihm.«
Ein gutes Jahr später der eintägige Papst-Besuch im Fürstentum Liechtenstein. In Zürich-Kloten wartete Bundespräsident Kurt Furgler – und wiederum die Rega-Crew. «Der Papst kam zuerst auf mich zu: Da ist ja Professor Hossli!» Fürstenfamilie und Regierung bedankten sich später bei ihm und seinen Leuten mit einem Empfang auf dem Schloss.
Georg Hossli hatte schon früher Kontakt zum Vatikan. 1979 brachte er den schwer kranken polnischen Kardinal Andrzej Maria Deskur – verwandt mit dem Papst, engagierter Medienmann und Chef von Radio Vaticana – in seine Heimat, vermeintlich zum Sterben. «Bewacht von Schweizergardisten wurde er in einem Spezialauto vom Spital Santa Croce zum Militärflugplatz geführt. Wir repatriierten ihn via Universitätsspital Zürich nach Warschau.» Als Hossli 2006 mit der Schweizerischen Gesellschaft für militärhistorische Studienreisen am 500-Jahr-Jubiläum der Schweizergarde teilnahm, traute er seinen Augen nicht: Unter den Gästen, im Rollstuhl, Kardinal Deskur.
Wie aber hat der Arzt zur Rega gefunden? Im März 1955, anlässlich der ersten grossen Propaganda-Aktion mit Fallschirmabsprüngen über dem Zürichsee. «Dem Rega-Gründer Rudolf Bucher war das Unterfangen nicht ganz geheuer. Er kontaktierte das Kantonsspital, ich wurde delegiert, die ärztliche Betreuung zu organisieren.»
Georg Hosslis Grossmutter väterlicherseits war Hebamme: Das sind die medizinischen Wurzeln. Der Vater war Bahnhofvorstand in Zürich Enge. 1940 machte Georg die «Kriegsmatura» und begann Medizin zu studieren. Achtmal rückte er zum Aktivdienst ein. Der Leutnant war stolz, nicht als Sanitäter, sondern als Infanterist im Zürcher Gebirgsschützen-Bataillon 11 zu dienen. Während des achten Einsatzes 1944 erkrankte er an Pleuritis exsudativa, einer «nassen» Brustfellentzündung. Fünf Monate Liegekur im Militär-Sanatorium Leysin. Dort liess er sich von der Laborantin Mathilde Huber nicht nur in die Geheimnisse der Labormethoden einführen. 1947 heirateten die beiden.
Nach dem Staatsexamen diente er einige Monate als Schiffsarzt auf der «Margaret Johnson»; die Reise führte nach Schweden und Südamerika. 1950 wurde er Assistenzarzt in der Chirurgischen Klinik des Kantonsspitals Zürich – und als Jüngster im Team, das war damals so üblich, wurde er auch für Narkosen eingesetzt. Zwei Jahre später
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