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Übermittlungsnetz. Vom Sportplatz eines Anden-Dörfchens auf 2600 Meter über Meer aus flog er Lasten über eine Höhe von 5000 Metern hinab in ein anderes Tal. Beim siebten Flug zerbrach auf 4500 Metern das Hauptantriebsrad im Hauptrotorgetriebe, es blieb nur die Autorotation in eine Schlucht. Der Heli war zusammengestaucht, der Pilot wie durch ein Wunder praktisch unverletzt. «Dort oben habe ich zum Glauben gefunden.» Er musste zu Fuss absteigen. Als er vier Stunden später auf das Dorf zukam, läutete ein Bub die Kirchenglocke.
Im Herbst 1984 kehrte ein nachdenklicher Ueli Bärfuss aus Peru zurück. Die Heliswiss war 1983 von der Konkurrenz in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aufgekauft worden. Bärfuss kündigte – nach 21 Jahren – und baute mit Leo Caminada in sechs Monaten Heli Bernina auf. Natürlich hoffte er, seine beiden Söhne würden ihm nachfolgen. «Aber der Existenzkampf war hart, und ich dachte, sie müssten einen bodenständigen Beruf wählen.» Hansueli, der ältere, lernte Forstwart, was ihm heute bei Heli Bernina zugutekommt: «Wir fliegen viel Holz, der Heli ist dafür das umweltschonendste Instrument, die Forstwirtschaft eine grosse Arbeitgeberin.»
Hansueli Bärfuss ist Geschäftsführer des Familienunternehmens, seine Berufspilotenausbildung erwarb er in Kalifornien. Der jüngere Sohn Thomas engagiert sich, nach acht Jahren Militärberufspilot und Fluglehrer auf Helikopter und Pilatus PC-7, als Chefpilot und Fluglehrer. Heli Bernina beschäftigt heute vierzehn Leute – unter dem Motto «Jeder Mitarbeiter ein Mitunternehmer».
Heli Bernina macht aber auch Rettungen – immer im Auftrag der Rega, viele im Winter. «Unsere Helis sind innert fünf Minuten umgerüstet.» Die Rega führt seit 1982 die Basis Samedan mit eigenen Leuten und ist an 365 Tagen rund um die Uhr einsatzbereit. Ueli Bärfuss und sein Mitarbeiter Ueli Stocker (Chef Unterhalt, der im Jahr 2000 mit dem Heli tödlich verunglückte) waren als Ablösung für Basisleiter Marco Mehli integriert. «Während eines Jahrzehnts standen wir an 150 Tagen im Jahr für die Rega im Einsatz.»
Ueli Bärfuss erinnert sich an ungezählte riskante Rettungen bei schlechtem Wetter. Und an die himmeltraurigen, die menschlich beelendenden. Gleich einer der ersten Einsätze war traumatisch. «Ich musste ein achtjähriges Mädchen von Davos nach Zürich bringen. Es weilte in den Ferien bei seinem Onkel, der bei den Bergbahnen arbeitete. Im Maschinenraum geriet der Rossschwanz des Mädchens ins Getriebe – und riss die ganze Gesichtshaut mit.»
Es gibt auch heitere Geschichten. Jene der Zweier-Seilschaft auf dem Gletschersattel zwischen Piz Palü und Bellavista. Einer stürzte in eine Spalte. Der Kollege konnte ihn festhalten, aber nicht mit ihm kommunizieren. Als die Rega landete, freute er sich über den glücklichen Zufall, sein Kollege hänge nämlich in der Spalte. Dieser hatte via Handy die Rega alarmiert.
Ueli Bärfuss hat den Aufschwung der Flugrettung im Gebirge miterlebt, mitgeprägt. Er ist stolz auf die heute hohe Professionalität und hofft, dass «Freude, Motivation und Kreativität der Leute an der Front trotz einengenden Gesetzen und Betriebsvorschriften erhalten bleiben». Seine tägliche Freude ist die Grossfamilie: die zwei Söhne, zwei Töchter, zwölf Enkelkinder, von denen neun unter demselben Dach und in der Nachbarschaft leben.
Am 5. Februar 2011 sass der 76-Jährige bei strahlendem Wetter ein letztes Mal im Cockpit: Samedan–Lauterbrunnen. Langsam abbauen, freiwillig aufhören, das war sein Wunsch. Bis 58 flog er für die Rega, bis 65 für Heli Bernina, bis 70 unterrichtete er Flugschüler, bis 76 war er noch tätig für technische Kontrollflüge und Überführungsflüge. In den 35 Jahren als Rettungspilot flog er über 3000 Einsätze. Ein letztes Highlight? Im Frühling 2010 brachte er einen Heli zurück, der für eine Steinschlagverbauung in Griechenland im Einsatz gewesen war. «Ein herrlicher Flug via Kroatien, der Küste, den Inseln entlang.»
Ueli Bärfuss, 1935 in Zürich geboren, in Thun aufgewachsen, gelernter Tiefbauzeichner. 1962 Berufspilotenlizenz auf Flächenflugzeugen, Teilzeitpilot. 1965 bis 1985 Helikopterpilot bei Heliswiss. 1985 bis 2000 Gründung der Heli Bernina AG, Pilot und Geschäftsführer. 2000 bis 2005 Teilzeitmitarbeiter Administration, Verwaltungsrat Heli Bernina, Fluglehrer. 2005 bis heute teilzeitliche Büroarbeit und Allrounder. Sein Engagement für die Rega: 3000 Einsätze von 1965
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