1415 - Letzte Station Hölle
genießen. Zulange hat er darauf gewartet. Es soll für ihn zu einem Fest werden. Ich kann mir sogar vorstellen, dass es sich über Stunden hinziehen wird. Er wird ihm seine Zähne in den Hals schlagen, aber er wird sein Blut nicht auf einmal schlürfen. Er wird sich dafür Zeit nehmen und immer wieder mal einen Schluck trinken. Davon träumt er, und das würde er auch mit dir machen, Sinclair.«
Das glaubte ich mittlerweile auch. Ich hatte mich soweit beruhigt, dachte nach und fragte Justine: »Kannst du dir denn einen konkreten Ort vorstellen, wo das passieren könnte?«
Sie schaute gegen die Decke, als gäbe es dort die Antwort. Dann meinte sie: »Eigentlich überall.«
»In dieser Vampirwelt?«
»Ja, und sie ist verdammt groß.«
»Da hat eine Durchsuchung keinen Sinn«, fügte Suko noch hinzu.
Ich musste ihm zustimmen, so schwer es mir auch fiel. Wir waren so verdammt nahe dran gewesen, aber dann war es doch anders gekommen, als wir es uns gewünscht hatten.
Suko dachte da praktischer. Er trat an eine der Öffnungen heran und stellte sich auf die Zehenspitzen. So gelang es ihm am besten, in das Dunkel hineinzuleuchten.
»Das ist ein Tunnel«, erklärte er. »Ein verdammter Tunnel, der irgendwo hinführt, worüber wird nicht informiert sind. Ein toller Fluchtweg.«
»Aber es hat keinen Sinn, ihn zu erkunden«, erklärte Justine. »Das hier ist seine Welt. Er kennt die besten und die schnellsten Wege, und er weiß, wie er abtauchen kann.«
Uns blieb nichts anderes übrig, als ihr zuzustimmen. Es war wirklich nicht gut, wenn wir uns in einem Höhlen- oder Tunnelsystem verloren, das wir nicht kannten. Aber etwas fiel mir schon auf, als ich näher an die Öffnung herantrat. Es war einfach der verdammte Geruch, der sich zwischen den Wänden gehalten hatte.
Es stank nach Ghoul!
Ich winkte Suko heran, der ebenfalls schnüffelte und nickte. »Perfekt, John. Das ist das perfekte Versteck für unsere Freunde, die verfluchten Leichenfresser. Ein Tunnelsystem innerhalb der Häuser. Dort können sie sich aufhalten, und ich schätze mal, da wären wir verloren.«
»Dann können wir gehen«, sagte ich.
»Nein, noch nicht!«
Ich wunderte mich über Justines Bemerkung, aber wenig später streckte sie ihren rechten Arm aus und wies auf die reglose Frau am Boden.
»Was ist mit ihr?«
Die Blutsaugerin lächelte mich freudlos an. »Sie gehört jetzt zu uns. Ich habe sie als Quelle meiner Nahrung genommen.«
Was hier so ungewöhnlich ausgedrückt wurde, ließ sich auf einen Nenner bringen.
Justine hatte die Person blutleer gesaugt.
Das war bei ihr normal, aber hier sah ich einen besonderen Fall, denn um das Blut trinken zu können, hätte die junge Frau ein Mensch sein müssen. Genau danach fragte ich.
»Das war sie wohl. Ihr Blut ist nicht verseucht gewesen. Sie hatte sich mit Marek zusammengetan. Nun ja, ich hatte Hunger und musste mich sättigen. Da kam sie mir gerade recht.«
Der Zorn stieg wieder in mir hoch, doch diesmal hielt ich mich zurück. Es fiel mir noch immer schwer zu akzeptieren, dass Justine Cavallo keine normale Frau war, obwohl sie so aussah.
»Und jetzt?«, fragte ich sie.
»Es ist immer ein Vorteil, wenn Mallmann eine Dienerin weniger hat. Das nur am Rande gesagt.«
Ich schaute Suko an. »Willst du die Peitsche nehmen?«
»Nein, ich mache das!«
Justine hatte mit einer Stimme gesprochen, die keinen Widerspruch duldete. Zugleich zeigte sie, womit sie die Person, die noch im Werden war, vernichten wollte.
Den Pfahl hatte ich bisher nicht bei ihr gesehen. Jetzt änderte sich dies. Sie holte ihn unter ihrer Lederjacke hervor. Ich saugte scharf die Luft ein. Mareks Waffe in der Hand einer Blutsaugerin zu sehen, das war schon etwas Besonderes und ging mir auch verdammt nahe.
»Muss das sein?«, flüsterte Glenda.
»Lass sie«, murmelte ich.
Glenda drehte sich weg. Suko und ich schauten zu, wie die sich Cavallo neben die reglose Frau kniete.
Es war kaum zu fassen für mich. Eine Vampirin wollte eine Artgenossin pfählen. So etwas hatte ich in meiner gesamten Laufbahn noch nicht erlebt.
Sie wollte es auf die klassische Art und Weise durchziehen. Durch das Knien hatte sie eine ideale Haltung eingenommen. Sie nahm Maß und hob den Pfahl mit beiden Händen.
Die Spitze wies auf die linke Seite der Brust – und dann…
Plötzlich öffnete die Werdende die Augen!
Es kam uns so vor, als hätte sie genau auf diesen Moment gewartet…
***
»Weiter, Marek, weiter! Stell dich nicht so
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