1416 - Blutrausch
nur ein orgelndes Geräusch, einen gurgelnden Leerlauf, mehr nicht.
Der Pfähler versuchte es erneut und hatte wieder Pech. Der Motor wollte nicht. Der Wagen sprang nicht an. Das war ihm in all den Jahren noch nie passiert. Der Käfer hatte sich immer sehr zuverlässig gezeigt, doch jetzt…
Frantisek stöhnte. Er fühlte sich erschöpft und verlassen. So senkte er seinen Kopf so weit nach vorn, bis die Stirn den Lenkradkranz berührte.
In dieser Haltung blieb er sitzen. Er war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage, etwas zu unternehmen. Er wusste nicht mal, ob er im Wagen sitzen bleiben oder ihn verlassen sollte. Ihm fehlte die Energie, sich aus dieser Haltung zu reißen.
Irgendwann löste er den Kopf vom Lenkrad. Er schaute durch die Scheibe. Die Dunkelheit war da, aber da gab es noch mehr, was sich darin bewegte.
Gestalten!
Eine von ihnen überragte die anderen. Will Mallmann, genannt Dracula II. Er war gekommen, um seinen zweiten Blutbiss anzusetzen…
***
Was Marek in diesen schrecklich langen Sekunden fühlte, das hätte er nicht in Worte fassen können. So saß er nur in seinem Wagen und starrte auf die Szene. Dass sie mit ihm zu tun haben könnte, war ihm wohl klar, doch er schaffte es nicht, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Marek war und blieb einfach nur der Zuschauer.
Dracula II hatte alles im Griff. Er war wie ein Dirigent. Durch knappe Handbewegungen sorgte er dafür, dass sich seine Begleiter in die Dunkelheit zurückzogen. Wohin sie genau abtauchten, war für den Pfähler nicht zu erkennen. Jedenfalls lösten sie sich auf wie Schatten. Es war eben Mallmanns Mannschaft, die er aus seiner verfluchten Vampirwelt mitgebracht hatte. Er sorgte eben für alles.
Auch für den nötigen Schutz und eine entsprechende Rückendeckung.
Frantisek saß hinter dem Lenkrad und wusste nicht, wie er sich vorkommen sollte. War er noch ein Mensch? Oder befand er sich bereits auf dem Weg in eine neue Existenz?
Bisher hatte Mallmann nur einmal zugebissen. Aber Marek glaubte fest daran, dass er sein Versprechen halten würde. Mehrmals zubeißen, dafür sorgen, dass der Pfähler entgültig hinab in die Tiefe fiel. Hinein in ein Dunkel, in dem er sich nur noch dem Äußeren nach als Mensch bewegte.
Wie oft hatte er gegen diese Wesen gekämpft. Und jetzt…
Nein, es war ihm unmöglich, diese Gedanken weiterzuverfolgen.
Sie waren ihm einfach zu fremd. Er konnte auch nicht mehr so richtig denken. Irgendwo in seinem Kopf gab es eine Sperre, und die hing nicht nur mit dem Rauschen des Blutes zusammen.
Die Bewegung des Dracula II lenkte ihn ab. Mallmann ging nur einen kleinen Schritt nach vorn, tat dann den nächsten, und dem Pfähler wurde klar, welches Ziel er hatte.
Es war der Wagen, in dem Marek saß.
Er hatte auf den alten Käfer gesetzt. Er hatte mit ihm fliehen wollen, was nicht möglich war, denn Mallmann musste am Motor manipuliert haben, und so hatte Marek nicht starten können.
Dracula II ging weiter. Natürlich war das dunkelrote D auf seiner Stirn zu sehen. Ein Fanal in der Dunkelheit. Gefährlich und darauf hinweisend, dass nur er der Erbe des großen Vlad Dracula war oder sich zumindest so fühlte.
Marek konnte sich ausrechnen, wann sein Todfeind die Fahrertür erreichte. Es hatte auch keinen Sinn, sie zu verriegeln. Der Vampir würde die Scheibe einschlagen, was bei seinen Kräften kein Problem war. Deshalb würde Marek alles stoisch über sich ergehen lassen.
Vor der Tür blieb der Vampir stehen. Er schwankte leicht hin und zurück. So zumindest sah es für Marek aus. Tatsächlich aber glitt die Hand des Blutsaugers nach unten, um den Griff zu finden.
Ein Ruck, und die Tür war offen!
Marek duckte sich. Er hielt den Atem an und dachte wieder daran, dass er noch atmen konnte, auch wenn er sich schlecht und kraftlos fühlte. Er traf keinerlei Anstalten, den Wagen zu verlassen, was Dracula II nicht gefiel.
Die Finger krallten sich im Frantiseks linker Schulter fest. Sehr deutlich war der harte Druck dieser Totenhand zu spüren. Für einen Moment hielt der Vampir inne, dann war er es leid. Er zerrte Marek zu sich heran und somit aus dem Wagen. Genau zur richtigen Zeit ließ er ihn los, sodass Marek nach links kippte.
Hart landete er auf dem Boden. Die Schulter tat ihm weh. Er spürte den Schmerz wie einen Messerstich und ärgerte sich über das leise Stöhnen aus seinem Mund.
Wie tot blieb er liegen. Er roch die Erde. Mit seinen weit geöffneten Augen starrte er in die Dunkelheit.
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