1416 - Blutrausch
Auftauchen aus einer Tiefe, die mit einem finsteren Gewässer vergleichbar war. Langsam in die Höhe gleiten. Gegen die eigene Schwerkraft ankämpfen und trotzdem den Wunsch haben, liegen zu bleiben.
Der Pfähler öffnete die Augen. Er starrte gegen den Himmel. Gegen einen dunklen Himmel, und er wusste plötzlich, dass ihm diese Dunkelheit gut gefiel.
Er fühlte sich nicht unwohl unter der finsteren Decke. Da Wolken den Himmel bedeckten, konnte er auch keine Sterne sehen, aber er merkte, dass er ein anderer geworden war. Eine Erklärung konnte er selbst nicht abgeben, nur spürte er, dass er auf einer Unterlage lag, die nicht eben war.
Er bewegte sich, und das war genau falsch, denn er rutschte zur Seite weg, wenig später dann über den Rand und landete auf dem Boden.
Hart prallte er auf, aber seltsamerweise erlebte er den Aufprall nicht sehr stark. Da war kein Schmerz zu spüren oder so gut wie keiner. Ein völlig Anderer steckte in seinem Körper. Er hatte das Gefühl, zwei Wesen in einem Leib zu sein.
Marek stand auf.
Es klappte, aber er stellte schon fest, dass er sich recht schwerfällig bewegte. Als er sich leicht drehte, da schienen Gewichte an seinem Armen zu hängen, aber er bekam sich wieder in den Griff, war allerdings auch froh, sich am Auto abstützen zu können.
So blieb er stehen – atmete tief durch.
Atmen?
Da stimmte was nicht. Marek dachte wie ein Mensch, und deshalb fiel ihm auf, dass er nicht normal Luft holte. Er brauchte es auch nicht. Der Atem stockte ihm auf halbem Weg. Jedenfalls hatte er dieses Gefühl.
Er dachte darüber nach und kam sehr schnell zu dem Ergebnis, dass er nicht mehr zu atmen brauchte wie ein normaler Mensch.
Erschreckte es ihn?
Marek wusste darauf selbst keine Antwort. Er kam sich vor wie in einem Kreisel. Er war ein Gefangener geworden. Er fühlte sich nicht mehr richtig als Mensch, aber als ein anderes Wesen auch nicht. Irgendwie hing er dazwischen.
Neben seinem alten Käfer stehend drehte er sich einige Male um die eigene Achse. Es gab einige Probleme, weil er einen gewissen Schwindel verspürte, der ihm jedoch nicht zu Boden warf. So blieb er auf seinen Beinen stehen.
Der Pfähler wusste nicht, was er unternehmen sollte. Er wollte nachdenken, was nicht zu schaffen war, aber zugleich stieg etwas anderes in ihm hoch. Es war ein Wunsch, den er sich nicht erklären konnte. Der so weit von ihm und seinem eigentlichen Leben entfernt war, aber gleichseitig sehr nah.
Durst!
Nicht nach Wasser, sondern nach etwas anderem. Das Wort Blut kam ihm in den Sinn. Er empfand es gar nicht mal als unsympathisch. Und er schaffte es nicht, sich von diesem Gedanken zu lösen.
Je mehr er über den Begriff nachdachte, um so stärker fühlte er sich ihm hingezogen. Seine Lippen zuckten. Er öffnete den Mund wie jemand, der trinken will, aber da gab es nichts, was ihm geschmeckt hätte. Außerdem konnte er nicht die ganze Nacht über an dieser Stelle stehen und bis zum Aufgang der Sonne warten.
Allein das Wort Sonne störte ihn. Er hasste diesen grellen Ball. Das war früher nicht so gewesen, und er konnte sich auch keinen richtigen Grund vorstellen.
Dann erinnerte er sich. Und es gab eine Person, die in dieser Erinnerung sehr wichtig war. Will Mallmann, alias Dracula II. Plötzlich war die jüngste Vergangenheit wieder präsent, und er wusste jetzt, was mit ihm bereits zum zweiten Mal geschehen war. Seltsamerweise empfand er dabei keine Beklemmungen, er nahm es sogar recht locker hin.
Vampir!
Dieser Begriff wollte nicht aus seinem Kopf. Ja, er war zu einem Vampir geworden. Oder beinahe. Er würde einen regelrechten Blutrausch erleben, und er merkte, wie es in seinem Kopf anfing zu arbeiten.
Alles drehte sich nur um das Blut!
Marek öffnete seinen Mund. Er fuhr mit dem Daumen an seiner oberen Zahnreihe entlang, um zu spüren, ob sich dort schon etwas vorschob. Wenn er zu einem Vampir wurde, dann würden sich zwei seiner Zähne verändern und zu spitzen Hauern werden.
Noch war dies nicht geschehen.
Oder doch?
Marek tastete noch mal nach. Diesmal intensiver als zuvor, und er merkte, dass sich in seinem Oberkiefer etwas tat. Er hatte den Eindruck, dass sich dort etwas löste, aber nicht verloren ging, sondern einfach nur weiter nach unten wuchs.
Für ihn stand fest, dass seine Veränderung auch äußerlich begonnen hatte. Wieder versuchte er zu denken wie ein Mensch, nur wurde das für ihn zu einem Problem. Er konnte sich nur an den Dingen ausrichten, die er in seiner
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