1419 - Der Tod eines Cynos
dadurch laufend die Distanz zwischen sich und der HALUTA, aber solange er keinen Anlauf zu einem Linearmanöver nahm, war das bedeutungslos.
Wieder einige Sekunden später bremste das Perlianschiff ab, bis es in gut zehn Lichtsekunden Entfernung relativ zur HALUTA zum Stillstand kam. „Gleich werden sie uns anfunken", erklärte Tolot dem Computer. „Sie haben ausprobiert, ob wir es hinnehmen würden, wenn sie einen Kontakt mit uns verweigerten und von hier verschwänden.
Angewandte Kosmopsychologie. Jetzt wissen sie, daß wir weder aggressiv noch ungeduldig sind."
„Und daß sie uns auf der Nase herumtanzen können", ergänzte Kattok. „Du mit deinen terranischen Redewendungen!" spottete Tolot mild. „Wo siehst du hier eine einzige Nase?"
„Vielleicht fände sich eine Pappnase an Bord, wenn du danach such..."
„Mund halten!" unterbrach Tolot ihn schroff, als der Rufmelder des Hyperkoms aufleuchtete. Er aktivierte das Gerät durch Blickschaltung und hörte gleich darauf im Zentrumsidiom: „Hier Fünf-Vier-Sechs! Wir haben Sie verstanden, obwohl Sie nicht telepathisch begabt sind. Das ist dank eines Spezialgeräts möglich. Verstehen Sie uns ebenfalls?"
„Ich verstehe Sie ausgezeichnet", gab Tolot erfreut zurück.
Er fragte nicht nach dem Namen des Perlianschiffs, denn er wußte, daß die Perlians ihren Schiffen keine Namen gaben, da sie selber keine trugen, weil das bei ihrer rein gedanklichen Verständigung unnötig war. „Fünf-Vier-Sechs", stellte wahrscheinlich eine Registriernummer für das rote Kugelschiff dar. „Dann schalten wir jetzt die Bildübertragung dazu", schallte es aus dem Hyperkom. „In Ordnung", sagte Tolot. „Aber erschrecken Sie nicht bei meinem Anblick.
Ich sehe den Bestien ähnlich, von denen Ihr Volk früher versklavt wurde.
Allerdings bin ich keine Bestie. Ich bin auch nicht in Ihrer Galaxis geboren, sondern in der rund vierzig Millionen Lichtjahre weit entfernten Milchstraße.
Mein Name ist Icho Tolot. Ich bin ein Haluter."
„Seit langer Zeit herrscht Frieden zwischen den Bestien und den anderen Völkern von Druithora", schallte es zurück. „Deshalb würde uns der Anblick einer Bestie nicht erschrecken."
Plötzlich wurde der Bildschirm des Hyperkoms hell.
Tolot sah den Ausschnitt einer Raumschiffzentrale. An schlierenförmigen Bewegungen und Verzerrungen erkannte er, daß der Raum mit Wasser geflutet war.
Als Wasserbewohner atmeten die Perlians am liebsten durch Kiemen, obwohl sie auch Lungen besaßen.
Ein Drittel des Bildschirms wurde jedoch vom Abbild eines rund zwei Meter großen, sehr schlanken und annähernd hominidem Lebewesens mit silbriger, feinschuppiger Haut und semitransparentem Körper eingenommen. Die Umrisse der inneren Organe ließen sich mühelos durch die Haut hindurch erkennen.
Das Lebewesen trug keine Kleidung. Es besaß zwei Arme, zwei Beine und sechsgliedrige Hände und Füße. Zwischen den Fingern und Zehen befanden sich die Relikte von Schwimmhäuten. Das war einwandfrei ein Perlian. Den letzten Beweis dafür lieferte der Kopf, der einer dreißig Zentimeter durchmessenden Glaskugel ähnelte. Infolge seiner durchsichtigen Wandung ließen sich deutlich die Gehirnteile und Nervenstränge sowie Blutgefäße erkennen. Zwei kleine Facettenaugen saßen ungefähr da, wo auch bei einem Terraner die Augen saßen.
Das bemerkenswerteste Kennzeichen aber war der etwa zehn Zentimeter durchmessende Gewebeklumpen von rotleuchtender Färbung, der vorn in Stirnhöhe am Schädel saß und schwach pulsierte.
Das sogenannte Zeitauge, durch das die Perlians früher von den Bestien zu Drittkonditionierten gemacht worden waren. Seine Biomasse stammte von Gigantquallen, die früher - und vielleicht auch heute - in den Meeren Ednils lebten.
Die Bestien hatten je nach Bedarf ein Exemplar von ihnen gefangen, zerstückelt, die Teile genmodifiziert und den von ihnen versklavten Perlians eingepflanzt.
Es befähigte die Wasserbewohner dazu, eine Zehntelsekunde in die Zukunft zu sehen - ein oftmals entscheidender Vorteil.
Ichp Tolot überlegte allerdings, warum die Perlians nach so vielen Generationen immer noch Zeitaugen trugen und sich somit einen Vorteil auf Kosten der Gigantquallen von Ednil verschafften.
Bis er bemerkte, daß das Zeitauge seines Gesprächspartners keine glatte, sondern eine runzlige Oberfläche hatte und daß es längst nicht so stark leuchtete wie die Zeitaugen der Perlians früher. „Wir grüßen Sie, Icho Tolot!" schallte es aus dem
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