1421 - Totenklage
habe euch nichts getan. Ich bin – ich will einfach nur leben. Ohne andere Hilfe. Ich will es selbst in die Hand nehmen, bitte…«
Ich glaubte nicht daran, dass sie erhört wurde, und beobachtete sie deshalb weiter.
Zwischendurch meldete Bill, dass der Killer noch immer nicht die für ihn günstigste Position gefunden hatte. Er blieb nach wie vor in seiner Deckung.
Elena sprach jetzt nicht mehr. Sie hatte eine Pause eingelegt und atmete nur heftig. Ich befreite mit einem Tuch ihr Gesicht vom Schweiß, und als ich es wieder wegsteckte, sprach sie mich an.
»Sie sind da, John, das weiß ich. Sie – sie sind ganz in meiner Nähe. Oder in unserer. Das müssen Sie mir glauben.«
»Was wollen sie von Ihnen?«
»Sie finden keine Ruhe. Sie haben einen Menschen gesucht, der sensitiv ist. Das bin ich wohl. Sie schreien, sie jammern, sie fluchen. Ihre Seelen sind verloren, aber es gibt auch ihre Körper. Sie wollen Rache. Ich weiß nicht, ob es die Körper sind oder nur die Seelen, aber sie sind hier.«
Ich riskierte einen Blick über den Bootsrand auf das Wasser. Es schlug jetzt leichte Wellen.
Aus der Tiefe stieg niemand hoch.
Ich nahm den Kopf wieder herunter und kümmerte mich um Elena. »Haben Sie noch was gehört?«
»Nein. Im Moment ist es ruhig. Aber ich glaube, dass sie auf dem Weg sind. Sie lassen nicht los. Bestimmt werden sie uns in ihr feuchtes Grab holen wollen. Wir werden im Schlamm ersticken! Etwas anderes kann ich mir nicht denken.«
»Noch haben sie es nicht geschafft.«
Nach dieser Antwort hatte ich gelächelt, und nun sah ich, dass dieses Lächeln erwidert wurde. Elena Davies hatte wieder ein wenig Mut gefasst.
»Er sucht noch«, murmelte Bill, »und ich frage mich, ob wir die Zeit nicht nutzen sollten.«
»Wegpaddeln?«
»Vielleicht.«
»Das kannst du nicht im Liegen.«
»Ja, leider.« So leicht gab er nicht auf. »Aber wir könnten es trotzdem versuchen.«
»Okay, und wie?«
»Indem wir auf ihn schießen und ihn so zwingen, selbst in Deckung zu gehen. Auch wenn wir nicht treffen, aber vielleicht schaffen wir es, ihn zu verunsichern.«
Das war gar nicht mal so schlecht gedacht. Es wäre zumindest eine Chance.
»Denk nicht zu lange nach, John.«
»Keine Angst. Ich frage mich nur, wer schießt und wer paddelt. Und wohin wollen wir?«
»Zu dieser am nächsten liegenden Insel, denke ich. Alles andere kannst du vergessen. Ich habe sie auch schon im Blick.«
»Dann willst du paddeln?«
»Ja.«
»Gut. Wir ziehen es durch.«
Ob Elena alles mitbekommen hatte, wussten wir nicht. Wir würden sie auch nicht nach ihrer Meinung fragen. Wir mussten einfach etwas unternehmen. Es ging nicht, dass wir hier eine halbe Ewigkeit auf dem Wasser lagen und darauf warteten, dass man uns beschoss.
Bill und ich bewegten uns voneinander weg. Die Stange ließ der Reporter liegen. Er wollte das Paddel nehmen. Um voranzukommen, durfte er es nicht nur an einer Seite ins Wasser stechen.
Ich machte mich bereit. Ich wusste, welches Risiko ich damit einging. An die Verschwendung von geweihten Silberkugeln wollte ich gar nicht denken.
Bill streckte den linken Daumen in die Höhe. Es war sein Zeichen, dass es losgehen konnte.
Keiner von uns sprang in die Höhe. Wir knieten uns hin. Ich dem Bug zugedreht, und der Reporter hatte das Heck übernommen.
Mein Blick erfasste das Ufer. Und dabei genau die Region, an der sich der Killer aufhalten musste. Im ersten Moment sah ich nichts.
Da bewegte sich niemand. Dann, als ich genauer hinblickte, entdeckte ich ihn.
Er hielt das Gewehr im Anschlag und zielte damit auf unser Boot.
Ich wollte mir nicht noch mal die Kugel um die Ohren pfeifen lassen.
»Los, Bill!«, brüllte ich.
Danach feuerte ich die Kugeln ab…
***
Der Killer hatte lange gewartet. Es passte ihm zwar nicht, aber es gab auch für ihn keine andere Möglichkeit. Er musste sich die beste Position aussuchen. Leider hatte seine erste Kugel nicht getroffen, so wussten die drei Typen auf dem Kahn jetzt Bescheid. Sie würden sicherlich vor Angst vergehen, was er ihnen auch gönnte, aber zu lange wollte er nicht warten. In der Dämmerung und bei der Dunkelheit verringerten sich seine Chancen auf einen Erfolg.
Er suchte nach einem Platz, der ihm einen besseren Schusswinkel bot. Dazu brauchte er eine höhere Stelle. Leider stand kein Baum in der Nähe, den er als Hochsitz hätte benutzen können.
Aber es gab diese kleinen, mit Gras bewachsenen Hügel. Sie waren zwar recht weich, aber dort hatte er zumindest
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