1421 - Totenklage
Rand des Moors zu.
Elena fragte sich, wer dieser Besucher war und was er vorhatte…
***
Der Killer sah noch jetzt die weit geöffneten Augen des Opfers vor sich. Die Angst in diesem Blick, all die Verzweiflung, die der Mann durchlebte und trotzdem wusste, dass ihm alles nichts brachte.
Der Killer war stärker. Er war gnadenlos, und er hatte gefunden, was er suchte.
Er gab dem Mann keine Chance.
Ein Stich mit dem Messer reichte aus. Damit war das Leben des alten Mannes beendet. Die Scheine seines Opfers knisterten in der Hosentasche des Killers, und er hätte jetzt sang- und klanglos verschwinden können.
Das tat er auch, aber nicht ohne die Leiche. Es war für ihn zu einem Spaß geworden, die Opfer mitzunehmen und sie woanders zu entsorgen, wo man sie so gut wie nie finden würde. Auf diese Weise hatte er schon einige Probleme aus der Welt geschafft, und die Bullen würden wieder mal vor einem Rätsel stehen.
Ein Raubmord ohne Leiche. Wie schon so oft in den letzten Jahren, in denen der Killer unterwegs war. Es hatte bisher immer perfekt geklappt. Von dem Geld, das er seinen Opfern raubte, konnte er sehr gut leben. Er killte ja nicht jeden. Für ihn war wichtig, dass der Tod ihm auch etwas einbrachte. Hier war das wieder mal der Fall gewesen. Er hatte in der Wohnung des alten Mannes nicht nur englische Pfund gefunden, sondern auch fast fünftausend Euro, was auch nicht zu verachten war.
Der Mann ging immer nach der gleichen Methode vor. Er drang in die Wohnungen ein, überraschte die Opfer im Schlaf, fesselte sie und ließ sich das Versteck des Geldes verraten. Das lief in der Regel ohne eine Folter ab, denn die zumeist älteren Menschen hatten davor einfach eine zu große Angst.
Wenn er das Geld hatte, trat ein Messer in Aktion. Danach musste die Leiche entsorgt werden.
Da sich der Killer zuvor genau die Umgebung angeschaut und nach schnellen Fluchtwegen gesucht hatte, hatte er sich darauf einrichten können, sodass der Abtransport der Leiche zumeist kein Problem für ihn war. Wie auch in diesem Fall.
Der alte Mann wohnte im Erdgeschoss eines älteren Hauses, das recht allein stand. Seinen Wagen hatte der Killer in der Nähe abgestellt. Es war ein Kombi der Marke Volvo, der sich im Laufe der Zeit zu einem Leichentransporter entwickelt hatte.
Der Mörder wusste natürlich, dass er ein Risiko einging, wenn er die Leiche aus dem Haus schaffte. Aber no risk – no fun. Danach handelte er, und es war bisher noch immer alles glatt über die Bühne gegangen. Weshalb sollte das nicht weiterhin so laufen?
Er rollte den Toten nicht in einen Teppich ein. Er wollte ihn über die Schulter werfen und ihn die wenigen Schritte zu dem abgestellten Volvo tragen.
Nicht immer hatte es die Möglichkeit gegeben, eine Leiche zu transportieren. Manchmal hatte er seine Opfer noch für eine Weile am Leben lassen müssen. Dann hatte er sie gezwungen, mit ihm die Wohnung zu verlassen. Sie waren wie alte Bekannte nebeneinander hergegangen. Allerdings hatte niemand erkennen können, dass ein Mensch den anderen bedrohte. Und keiner der alten Menschen hatte bisher geschrien und um Hilfe gerufen. Sie alle hatten gehofft, dass er sie am Leben lassen würde.
Diese Hoffnung löste sich spätestens dann auf, wenn der Killer mit ihnen sein eigentliches Ziel erreichte, um die Leiche loszuwerden. Er machte sich immer die Mühe, hinaus in den Sumpf zu fahren, um die Leiche dort zu versenken. Manche hatte er in seinem Wagen zuvor bewusstlos geschlagen, andere aber erlebten den Sturz in den Sumpf voll mit, und wenn sie schreien wollten, drückte der Killer sie mit einer Stange unter Wasser. Wieder aufgetaucht war bisher niemand.
Das würde auch jetzt nicht der Fall sein. So war der Killer guten Mutes, als er den Toten im Kombi verstaute. Bevor er sich hinter das Lenkrad setzte, schaute er sich um.
Mit der Umgebung gab es keine Probleme. Zeugen waren nicht vorhanden. Nicht weit entfernt befand sich der Bahndamm, und die Anzahl der Züge hielt sich in der Nacht in Grenzen.
Niemand hatte gesehen, wie er in die Wohnung eingedrungen war, und niemand sah, wie er sie verließ.
Es war wieder eine dieser perfekten Nächte, über die er sich nicht beschweren konnte.
Wie immer sprang der Motor zuverlässig an. So rollte er in die Dunkelheit hinein und entfernte sich immer mehr von den bewohnten Gegenden. Das Moor wartete. Der alte Sumpf, der vielen Menschen bekannt war, den sie aber mieden. Nur sehr wenige Personen trauten sich hinein, und das
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