1422 - Mörderischer Muttertag
blieb dort stehen, wo die Tote lag.
Man hatte sie aus der Hütte hervorgeholt, aber noch nicht in die Wanne gepackt, um sie abzutransportieren. Ihr Körper wurde nur von einer Plane bedeckt. Um sie herum sah das Grün des Rasens durch das helle Licht fast winterlich weiß aus.
»Alles klar bei Ihnen?«, versicherte sich James Water noch mal. Er hatte sich bereits gebückt und die Plane leicht angehoben.
Wir nickten ihm zu, und er zog die Plane mit einer lässigen Bewegung zur Seite.
Drei Augenpaare schauten auf die tote Frau, die eigentlich hätte verbrannt sein müssen. Die Kleidung war ein Opfer des Feuers geworden, nicht aber der Körper, der sich äußerlich zwar verändert hatte, aber keine verbrannte oder zerplatzte Haut zeigte.
James Water rückte einen Scheinwerfer zurecht, damit die Tote angestrahlt wurde. Die Haut hatte eine andere Farbe angenommen. Sie zog sich von der Stirn bis zu ihren nackten Füßen hin, und falls das Licht uns nicht täuschte, dann war die Haut grau geworden, mit einem leichten Stich ins Grünliche.
Die Augen der Toten waren nicht geschlossen. Ich verspürte schon einen Schauer, als ich auf sie blickte.
Es war nicht die erste Leiche, die ich in meinem noch recht jungen Leben gesehen hatte, aber der Blick dieser Augen war nicht normal.
So kalt, so leer und trotzdem – ja, ich konnte es mir nicht anders erklären – irgendwie nicht mit denen eines normalen Toten zu vergleichen.
Das schien auch Bill festzustellen, denn nicht ohne Grund schüttelte er den Kopf.
»Normal ist das nicht«, erklärte der Inspektor.
Wir nickten synchron.
»Deshalb frage ich mich, was das für ein Feuer gewesen sein mag, das diese Frau umgebracht hat.«
»Eines aus der Hölle«, murmelte ich.
»Bitte?«
»Schon gut, Sir.«
Water blieb am Ball. »Sie denken noch immer an den Teufel, nehme ich an.«
»Ja, leider. Wir haben die Fratze gesehen, und ich weiß auch, dass es Teufelsdiener gibt. Die Frau könnte zu ihnen gehört haben, und das ist nun die Folge davon.«
»Man muss es wohl leider so sehen.«
So überzeugend hatte die Antwort nicht geklungen. Ich jedenfalls wollte mir die Tote nicht mehr länger anschauen und drehte mich deshalb zur Seite, was auch Bill tat.
Dagegen hatte der Inspektor nichts einzuwenden. Er wollte uns auch nicht länger aufhalten. Unsere Personalien hatte er notiert und erklärte uns, dass er sicherlich noch mit einigen Fragen auf uns zukommen würde.
»Können wir denn jetzt gehen?«, fragte Bill.
»Ja.«
»Danke.«
Wir verabschiedeten uns, und unsere Stimmung war mehr als gedrückt.
Wir schlichen an dem Horror-Haus vorbei, in dem der schreckliche Mord passiert war. Auch dort standen Polizisten und sperrten den Zugang ab. Von den drei Kindern sahen wir nichts mehr.
Ich fand mein Fahrrad noch dort, wo ich es zurückgelassen hatte.
Darauf zu steigen, dazu hatte ich keine Lust, und so schob ich es, während ich neben Bill herging.
Erst als der Ort des Verbrechens fast nicht mehr zu sehen war, sprachen wir wieder.
»Und, John, was hältst du von der Sache?«
Ich ließ mir Zeit mit der Antwort.
»Ich habe das Gefühl, dass es den Teufel wirklich gibt und er so aussieht, wie er sich gezeigt hat. Aber das alles ist nichts gegen das Schicksal der drei Kinder. In ihrer Haut möchte ich nicht stecken.«
»Du sagst es.«
Es hätte sicherlich noch einiges zu bereden gegeben, aber wir hielten uns zurück. Jeder hing seinen Gedanken nach, und mir wollte das Bild des Teufels nicht aus dem Kopf.
Es war für Bill Conolly und mich bereits der zweite Fall, der uns mit Vorgängen in Verbindung brachte, die außerhalb der Norm lagen. Es lag noch nicht lange zurück, da waren wir mit dem Zombie im Kohlenkeller unserer Vermieterin konfrontiert worden, und jetzt dies.
Zufall? Schicksal?
Ich wusste es nicht. Doch es ließ mich nicht los. Fälle wie dieser interessierten mich sehr.
Dass uns dieser Fall Jahre später noch mal beschäftigen würde, daran hätte ich damals jedoch nie gedacht…
***
Tina Baker packte die letzten Rosen aus und stellte die langstieligen Pflanzen in einen mit Wasser gefüllten Eimer. Sie lockerte das Bund ein wenig und ging zur Tür ihres kleines Ladens, um ihn abzuschließen. Mittagspause. Die ließ sich die Floristin nicht nehmen, auch wenn zahlreiche Geschäfte in der Nähe über Mittag geöffnet blieben. Sie brauchte die Pause einfach, denn sie legte sich die Hälfte der Zeit hin und fiel in einen kurzen, erholsamen Schlaf.
Wer in London
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