1426 - Ein Hauch von Hölle
bleiben.
»Was machen wir?«, fragte Glenda.
Keiner von uns wusste eine Antwort. Es wäre Wahnsinn gewesen, das Büro zu verlassen und ins Freie zu gehen. Auch nach Feierabend würden wir weder auf die U-Bahn noch auf ein Auto zurückgreifen können. So würde uns nichts anderes übrig bleiben, als zu Fuß zu gehen. Wir konnten nur froh sein, dass es keinen von unseren Freunden erwischt hatte.
Außerdem gab es noch einen Vorteil auf unserer Seite. Momentan hatten wir es mit keinem Fall zu tun, sodass wir nicht raus mussten, um durch London zu fahren.
Glenda raffte sich wieder auf uns stellte eine Frage.
»Wo soll das nur alles enden?«, flüsterte sie.
Keiner von uns wusste die Antwort…
***
Zwei Tage waren seit der Entlassung vergangen, und Leo Ganero hatte sich gut eingelebt. Die fünfzehn langen Jahre kamen ihm vor wie weggewischt. Er hatte alles das bekommen, was er brauchte.
Auch über Bargeldmangel konnte er nicht klagen. Es war für ihn gesorgt worden, und das bedingungslos. Man ließ ihn zunächst mal in Ruhe und würde sich später bei ihm melden.
Mit der modernen Kommunikationstechnik fand er sich noch nicht so gut zurecht. Zwar waren in den letzten Jahren die Handys wahnsinnig in Mode gekommen, für ihn aber hatten sie bisher nur in der Theorie existiert. Von einem Besitz hatte man ihm abgeraten, denn anhand von Gesprächen mit den kleinen Apparaten war es leicht möglich, jemanden aufzuspüren.
Wenn er anrufen wollte, dann aus einer Telefonzelle, von denen es noch genügend im Land gab. Da gab es zwar auch keine hundertprozentige Sicherheit, aber er hatte zumindest die Chance, nach einem Anruf schnell zu verschwinden.
Einen Geländewagen hatte er sich auch zugelegt. Es war ein Japaner, ein Toyota Land Cruiser. Und er hatte ihn bei einem Händler gekauft, dessen Pupillen sich in Geldstücke verwandelten, als er das Bargeld zwischen den Fingern des Käufers entdeckt hatte.
Er war mit dem Preis sogar noch runtergegangen, und Leo hatte sein Fahrzeug sofort mitnehmen können.
Mit ihm war er nun unterwegs.
Richtung Norden.
Raus aus England, über die unsichtbare Grenze hinweg nach Schottland. Dort lag sein Ziel, das er erreichte, als die Dämmerung hereinbrach.
Die Hitze des Südens lag hinter ihm. In der Kühle fühlte sich der Mensch eben wohler.
Leo hatte den gewundenen Weg hinter sich gelassen und stoppte seinen Wagen unter einem alten Baum, dessen Äste sich nach allen Seiten wie ein Dach ausbreiteten. Die Eiche hatte viele Jahre überstanden und war auch von keinem Blitz getroffen worden. Sie stand da wie ein Wächter, der für die Ewigkeit geschaffen war.
Leo blieb hinter dem Lenkrad sitzen, ohne sich zu bewegen. Er schaute nur nach vorn, und was er sah, das erinnerte ihn an eine düstere Filmszene, die ihm überhaupt nicht gefallen konnte, denn er hatte sich seine Ankunft anders vorgestellt.
Obwohl inzwischen viele Jahre vergangen waren, hätte das Haus noch stehen müssen. Doch es stand nicht mehr. Das heißt, es war nicht verschwunden, von ihm gab es nur noch Trümmer, als wäre irgendwann eine Bombe innerhalb des Hauses explodiert.
So blickte er auf die Ruinen, die ihm schwärzer vorkamen als die Umgebung draußen.
Wenn eine Ruine einen solchen Anblick bot, dann konnte es nur bedeuten, dass es gebrannt hatte und das Haus durch ein mächtiges Feuer zerstört worden war.
Es stellte sich automatisch die Frage, ob die Menschen, die in dem Haus gelebt hatten, zu Tode gekommen waren oder sich hatten retten können.
Niemand war da, der ihm eine Antwort hätte geben können. Die dunklen Reste des zerstörten Hauses schwiegen.
Auch hier bewies es sich, dass die Natur sich nicht aufhalten ließ.
Aus Trümmern entstand neues Leben, und da machte diese Szenerie keine Ausnahme, denn überall waren Gras und andere Pflanzen aus dem Erdboden gewachsen und hatten sich zwischen den Überresten des Hauses verteilt.
Leo stieg aus, obwohl er nichts an den Tatsachen ändern konnte.
Aber er wollte hin. Er wollte mit eigenen Augen sehen, was da passiert war. Möglicherweise fand sich ja noch eine Spur, die zu dem Besitzer des Hauses führte, mit dem er abrechnen wollte.
Horace F. Sinclair!
Es war ein Name, den er nie vergessen würde. Immer wenn er daran dachte, stieg ihm das Blut in den Kopf. Da drehte er fast durch, und er musste sich stark zusammenreißen.
Das Haus war schon länger ein Trümmerfeld. Er nahm keinen Brandgeruch wahr. Möglicherweise rochen die Steine anders, wenn er sich
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