1429 - Totenkopf-Ballade
des Kittels schauten mächtige Oberarme hervor, die jedoch nicht schwammig oder mit einer Fettschicht bedeckt waren, sondern stramm und straff. Durchtrainiert, denn da war kein Gramm Fett zu viel. Wer das einmal gesehen hatte, der bekam Respekt, und auch die härtesten Kerle gingen sicherheitshalber auf Distanz.
Das hatte Dagmar nicht getan. Sie hatte sich in die Hände dieser Masseurin begeben.
Aber was für Hände!
Wunderbare. Keine stählernen, sondern sehr weiche und einfühlsame, die genau wussten, wohin sie fassen und kneten mussten. Sie schlugen gegen Körperstellen, bei denen Dagmar wohlig aufstöhnte.
Manchmal aber zuckte sie zusammen, wenn ein Nerv erwischt wurde, und dann lachte die Masseurin jedes Mal auf.
»Keine Sorge, Kindchen!«, erklärte sie in ihrem hart klingenden Deutsch. »Ich mache das schon.«
Sie hieß Jana und war, wie Dagmar erfahren hatte, die Masseurin in Marienbad. Wer ihre Dienste in Anspruch nahm, der konnte zufrieden sein, und auch Dagmar rechnete damit, nach der Behandlung in den großen Wohlfühltaumel zu fallen.
Für dreißig Minuten hatte sie Jana gebucht, die freiberuflich tätig war. Früher hatte sie für den Staat arbeiten müssen. Das hatte ihr nie gefallen, wie sie Dagmar berichtete. Da hatte sie sich ausgenutzt gefühlt.
Jetzt lagen die Verhältnisse anders, und Jana hatte es sogar geschafft, sich einen Traum zu erfüllen. Ein kleines Haus etwas außerhalb der Stadt in Richtung deutscher Grenze.
Verheiratet war sie mal gewesen. Ihren Mann hatte man erschossen. Er war damals als Fluchthelfer überführt worden. Danach hatte Jana sich nicht mehr gebunden.
Sie war jetzt genau fünfzig, doch ihr rundes Gesicht hatte den jugendlichen Charme nicht verloren. Wenn sie lächelte, dann blitzten ihre Augen auf.
Noch einmal knetete sie Dagmar richtig durch.
»Ja, das ist eine Wohltat«, murmelte sie vor sich hin, wobei sie sich wunderte, dass sie schlaff und müde wurde. Sie war nicht kaputt, denn sie beschrieb ihre Müdigkeit als wohlig.
»Danke, Dagmar.«
»Ich werde mal meinen Partner zu Ihnen schicken. Und auch dessen Freund, der uns hier besucht hat.«
»Würde mich freuen.«
Dagmar lachte. »Und dann möchte ich die harten Herren mal stöhnen hören.«
»Das werden sie. Glauben Sie mir.«
»Klar, das nehme ich Ihnen ab.«
Noch einmal strichen die Hände zärtlich über Dagmars Rücken.
Dabei hörte sie den Kommentar.
»So, das ist es gewesen.«
»Herzlichen Dank, Jana. Das hat wirklich gut getan.«
»Die Folgen werden Sie später zu spüren bekommen.«
Dagmar hob den Kopf an. »Spüren?«
»Nur im guten Sinne.«
»Das wollte ich auch meinen.« Dagmar schlaffte bewusst noch mal ab und stemmte sich dann aus ihrer Bauchlage in die Höhe. Dabei fasste sie nach dem Badetuch und hielt es vor ihren nackten Körper.
Sie blieb auf der Bank sitzen, während sich Jana mit ihrer Tasche beschäftigte und das Öl einräumte, dass sie benutzt hatte. Das Geld hatte Dagmar ihr schon im Voraus gegeben.
Sie fühlte sich fit und wohlig. Alle Hektik schien von ihr abgefallen zu sein. Sie hatte zunächst Furcht vor einem Schwindel gehabt, aber das traf nicht zu. So saß sie auf der Bank und suchte mit den Füßen nach ihren Badeschlappen.
»Sollen wir schon einen Termin für Ihre Männer machen?«, erkundigte sich die Masseurin.
»Nein, noch nicht. Ich muss erst mal mit ihnen sprechen und sie überzeugen.«
»Das ist bei Männern nicht einfach.«
»Ich weiß, Jana.«
Dagmar stand auf. Über einer schmalen Bank hing ihr cremefarbener Bademantel. Ein Bikiniunterteil als Slip lag auch bereit. Beim Überstreifen dachte Dagmar darüber nach, wie es weitergehen sollte.
Sie hatte vorgehabt, ein Schläfchen im Heu hinter sich zu bringen.
Dann erst wollte sie nach Harry und John schauen. Es stand noch nicht fest, wie sie den Abend verbringen wollten. Jedenfalls bei einem guten Essen, verbunden mit Wein und Bier. Ein gutes Lokal würde ihnen Jana sicherlich nennen können.
»Haben Sie noch einen Termin?«, fragte Dagmar, als sie sich den Bademantel überstreifte.
»Zwei am heutigen Abend noch.« Die Antwort hatte nicht eben begeistert geklungen, und darauf sprach Dagmar sie auch an.
»Freuen Sie sich nicht darauf?«
»Nein.«
»Warum nicht?« Dagmar winkte ab. »Pardon, wenn ich neugierig bin. Das ist mir nur so rausgerutscht.«
»Nicht schlimm. Ich freue mich wirklich nicht.« Jana zog die Nase kraus. »Es sind Russen.«
»Und?« Dagmar hob die Schultern und knotete
Weitere Kostenlose Bücher