1429 - Totenkopf-Ballade
Anita Koller den Rücken zu. Diesmal war ihr Ziel nicht der Spiegel, sondern die Badezimmertür an der linken Seite.
Sie ging darauf zu und benutzte sie einen Moment später als Ausgang, ohne sie zu öffnen.
So lautlos wie sie gekommen war, zog sie sich auch zurück und blieb verschwunden…
***
Anita Koller sagte nichts. Sie tat auch nichts. Wie eine starr gewordene Wassernixe blieb sie in der Wanne hocken und traute sich nicht, die Beine auszustrecken. Sie hatte zudem ihre Atmung reduziert, und allmählich war sie wieder in der Lage, klar zu denken. Sie ließ noch einmal vor ihrem geistigen Auge ablaufen, was sie da gesehen hatte, und konnte es kaum glauben. Das große Bad sah aus wie immer. Die unheimliche Besucherin hatte keine weiteren Spuren hinterlassen. Aber das hatte nichts zu bedeuten. Anita brauchte nur den Blick zu senken, um zu erkennen, dass all das, was sie gesehen und erlebt hatte, kein Traum gewesen war.
Sie lag nicht mehr allein in der Wanne. Der makabre Besuch war geblieben. Er schwamm sogar in ihrer Nähe. Noch hütete sie sich davor, einen der Totenköpfe anzufassen. Sie fürchtete sich auch, aufzustehen und die Wanne zu verlassen. Dabei würde das Wasser in Bewegung geraten. Dann würden die Wellen die Totenköpfe auch in ihre Richtung schaukeln, und sie wollte auf keinen Fall von ihnen berührt werden.
Es war schwer für sie, jeden einzelnen dieser makabren Gegenstände im Auge zu behalten. Doch das musste sie tun, wenn sie ohne Probleme die Wanne verlassen wollte.
Erst jetzt merkte sie, dass ihr Hals völlig ausgetrocknet war. Ihr Herz schlug schneller, und jeder Schlag hinterließ in ihrem Kopf ein Echo.
Ihre Arme verschwanden im Wasser. Die Hände hatte sie gespreizt auf den Wannenboden gedrückt. So konnte sie sich am besten abstoßen, mit einem Sprung in die Höhe schnellen und dann über den hohen Wannerand klettern.
Es sah gut in der Theorie aus, aber die Praxis zeigte ihr etwas anderes.
Die kleinen Schädel fingen an, sich zu verändern. Ihre Form behielten sie bei, nur die Farbe wechselte. Anita fand keine Erklärung für das Phänomen, sie schaute nur zu, wie die weiße Farbe verschwand und sich in ein Rot verwandelte.
Anita wusste, dass dies etwas zu bedeuten hatte. Und dass auch sie daran beteiligt war.
Plötzlich hörte sie wieder ihren eigenen Atem. Nur ging der nicht normal, sondern hektisch und unregelmäßig.
Die Schädel tanzten. Nicht auf den Wellen, sondern sie bewegten sich selbst. Und sie nahmen weiterhin an Farbintensität zu. Das Rot wurde immer dichter, was der Frau nicht verborgen blieb. Zugleich entdeckte sie etwas, das ihre Alarmglocke im Innern noch stärker anschlagen ließ. Es war kaum zu fassen, aber sie hatte sich nicht geirrt.
Die kleinen Schädel brannten!
Ja, verdammt, in ihrem Innern loderte ein Feuer.
Als ihr das klar wurde und sie auch über die eventuellen Folgen nachdachte, hatte sie für einen kurzen Moment keinen Blick mehr für die Schädel. Zwei von ihnen trieben so nahe an sie heran, dass sie ihre nackte Haut berührten.
Für einen winzigen Zeitpunkt schien sich die Welt nicht mehr für sie zu drehen.
Etwas Unglaubliches geschah. Jemand musste mit einem Messer in die nackte Haut hineingeschnitten haben, so jedenfalls dachte sie. Es war falsch. Völlig falsch, denn es war keine Messerklinge, die den Schmerz verursacht hatte.
Brennende Hitze und Feuer!
Wasser und Feuer vertragen sich nicht. So hatte es die Frau gelernt. In diesem Fall musste sie umdenken, und das spürte sie am eigenen Leib, denn sie sah kleine Flammen in die Höhe schießen. Sie hätte aufstehen und die Wanne verlassen können, aber sie war einfach zu geschockt. So sah sie nur noch, wie auch die anderen Totenköpfe Feuer fingen. Es sprang förmlich aus ihrer Farbe hervor, und sie kreisten wie brennende Knochenboote ihr Opfer ein…
***
Der Schlamm, der Dagmar Hansens gesamten Körper bedeckt hatte, war weg. Der harte Wasserstrahl hatte ihn abgespritzt, und wenn Dagmar daran dachte, rann ihr noch jetzt eine Gänsehaut über den Rücken, obwohl sie sich in andere Hände begeben hatte und ihr erneutes Stöhnen mehr damit zusammenhing.
Es lag an der Massage. Und sie befand sich in der »Gewalt« einer Masseurin, die auch beim Frauencatchen ihren Mann gestanden hätte.
Schwer, breit und kompakt! So tauchte sie auf. Dann erst fiel der Blick auf das Gesicht, das voll und rund war. Umrahmt von dunklen Locken, die sich wie ein Ei dem anderen glichen. Aus den Öffnungen
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