143 - Das Böse wohnt in Harkerville
senkte den Blick. »Ich habe ein furchtbar schlechtes Gewissen.« Vicky legte ihr die Hand auf die Schulter. »Ich trage Ihnen nichts nach, Virginia. Sie können nichts für das, was Sie getan haben. Genausowenig wie Cab. Sie standen unter einem bösen Zwang, mußten so handeln,«
Virginia hob dankbar den Blick. »Ist Ihr Kopf wieder in Ordnung?«
»Ich habe einen Dickschädel. Tony kann das bestätigen.«
»O ja, das kann ich«, sagte ich und seufzte.
»Den Seufzer hättest du dir sparen können.«
»Er kam mir aus der Seele.«
Cab Calloway kam zu sich, und auch er schaute uns schuldbewußt an. Ich erklärte ihm ebenfalls, wie wir die Dinge sahen, und er reagierte mit der gleichen Dankbarkeit wie seine Frau.
»Ich möchte das wiedergutmachen, Tony«, sagte er.
»Das brauchen Sie nicht, Cab.«
»Wenn ich irgendwann irgend etwas für Sie tun kann, müssen Sie es mir unbedingt sagen, sonst bin ich bitterböse auf Sie«, sagte Calloway.
»Na schön, wenn ich mal Tennis spielen möchte und Sie nicht einmal einen Notplatz freihaben, werde ich Sie bitten, Ihre Schuld bei mir einzulösen. Mal sehen, wie Sie sich dann aus der Affäre ziehen.«
Wir verließen den Heizkeller. Virginia Calloway brachte Vickys Tasche. Wir verabschiedeten uns von dem Ehepaar und begaben uns zu meinem Rover.
***
Der Himmel übergoß ihn erbarmungslos mit kalter Nässe. Er fror erbärmlich, zitterte und klapperte mit den Zähnen, aber schlimmer als die Kälte und der Regen war die Angst, entdeckt zu werden.
Die Werwölfe befanden sich jenseits der Mauer. Tom Jagger hörte ihr Kläffen und Heulen. Sie hatten sich getrennt. Jeder versuchte allein die Spur des Landstreichers zu finden.
Vor Jaggers Augen lief ein Film ab, dessen Enden man zusammengeklebt hatte. Er sah immer wieder dasselbe: Wie die Bestien seinen Freund töteten. Es war das Schrecklichste, was er je erlebt hatte.
Dieser blutige Ritualmord… Dean Courtway, am Wolfskreuz festgebunden, wehrlos den Ungeheuern ausgeliefert. Jagger betrachtete es als ein Wunder, daß ihm dieses grauenvolle Schicksal erspart geblieben war.
Aber durfte er schon hoffen? War er gerettet? Hatte er sich in Sicherheit gebracht? Die Wölfe durchstreiften unermüdlich den Wald. Sie wollten nicht aufgeben.
Ein Opfer schien ihnen nicht zu genügen. Sie wollten auch den zweiten Mann töten. Jagger blickte zur Mauerkrone hinauf. Dort war er heruntergefallen. Das war hoch. Ein Glück, daß er sich nicht sämtliche Knochen gebrochen hatte.
Glück im Unglück… Schwerfällig richtete er sich auf. Seine Kleidung war vom Regen vollgesogen. Auch so konnte er sich den Tod holen, aber das war ihm lieber, als von den Wölfen zerrissen zu werden.
Dean, du armer Kerl, dachte Jagger betroffen. Das hattest du mir zu verdanken, weil ich so stur und borniert war. Bitte verzeih mir, wenn du kannst…
Er merkte, daß er zu schwach war, um aufzustehen. Ächzend lehnte er sich an die Schloßmauer und hoffte ganz fest, daß ihn die Verfolger hier nicht aufstöberten, sonst war er erledigt, denn an eine Fortsetzung der Flucht war nicht mehr zu denken.
***
Die letzten Spieler verabschiedeten sich, und Cab Calloway machte die Abrechnung.
»Bist du bald fertig?« fragte Virginia.
»Geh schon vor. In ein paar Minuten komme ich nach.«
»Ich kann immer noch nicht begreifen, was aus mir wurde.«
»Vergiß es«, sagte Cab Calloway. »Es ist zum Glück vorbei.«
»Daß Dämonen soviel Macht über uns Menschen haben können Entsetzlich.«
»Du siehst, daß ihnen aber trotzdem Grenzen gesetzt sind.«
»Bis gestern hätte ich noch nicht einmal an die Existenz von Dämonen geglaubt, und auf einmal war ich selbst eine halbe… Loxagons willenloses Werkzeug. Der verlängerte Arm des Teufelssohns.«
»Ich werde dir hèlfen, darüber hinwegzukommen«, versprach Cab Calloway seiner Frau.
Sie beugte sich zu ihm hinunter und küßte ihn. »Ich bin froh, daß ich dich habe. Wir werden uns gegenseitig helfen, mit diesem schrecklichen Erlebnis fertigzuwerden. Ich liebe dich, Cab.«
»Ich dich auch«, gab der Mann zurück und lächelte seine Frau freundlich an. »Laß mich jetzt bitte meine Arbeit tun. Ich bin müde und möchte ins Bett kommen.«
»Ob wir Loxagon noch einmal sehen werden?« fragte Virginia.
»Ich glaube nicht«, antwortete Cab. »Er weiß, was vorgefallen ist. Wir haben Vicky Bonney nicht mehr. Wenn er sie doch in seine Gewalt bringen möchte, muß er sich etwas Neues einfallen lassen. Wir können ihm dabei
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