1430 - Hamillers Puzzle
zweifelte? War es die Einsicht, daß sie am Ende waren, daß das Vorhaben von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen war? War er blind, daß er nur den Auftrag des Kaisers gesehen hatte und nicht die Realität?
Oder waren es die Worte seiner Geisel, das beständige Bohren, die Anspielungen auf Thoy-P'ang, dem das Leben seiner Soldaten nichts bedeutete?
Er schüttelte in seinem Helm den Kopfpelz und spielte sich eine Aufzeichnung vor. Sie zeigte ihm deutlich, daß die Terraner bisher kein einziges Mal von einem Strahler Gebrauch gemacht hatten. Sie hatten nur Paralysatoren benutzt. Lediglich die Roboter hatten zum Schutz der Menschen mit tödlichen Waffen geschossen.
War es die Mentalität, die ihn irritierte?
Gab es neben dem absoluten Kampf auch noch eine andere Methode, sein Ziel ehrenvoll zu erreichen?
Irgendwo in seinem Bewußtsein gab es einen Stich. Es war, als hätte jemand mit einem Messer in seinen Kopf gestochen. Er fuhr sich zum Helm, aber da war nichts.
Dieser Gucky hatte ihm nicht nur eine Lektion erteilt, sondern gleich mehrere. Er hatte mit seinem Tod rechnen müssen, und vielleicht starb er jetzt bereits an den Folgen der Injektionen. Dennoch hatte er nie um Gnade gefleht. Er hatte psychologisch Krieg geführt, hatte sein Selbstvertrauen erschüttert und ihn vor den Soldaten blamiert. Er hatte ihn, gelinde gesagt, kleingemacht.
Ja, eigentlich hätte er Gucky für all das töten müssen, wenn er strikt nach seiner Soldatenehre gehandelt hätte. Er hatte es nicht getan, und jetzt fragte er sich plötzlich, warum das so wahr. „Phang-Troc!"
Der Ruf riß ihn aus seinen Gedanken.
Einer seiner Soldaten gab ihm einen Stoß.
Er verlor das Gleichgewicht und stürzte gegen die Wand. Vor ihm tauchte der Eingang zur Halle auf. Er warf sich hindurch und sah die hohen Metallblöcke mit den Spindeln und die halbkugelförmigen Gebilde, die wie Schüsseln von der Decke hingen. An den Wänden ragten hohe Terminals mit optischen Anzeigen auf. „Was tun wir?" wurde der Cheni-Tarr gefragt. Er schwieg und sah zu, wie die Tür geschlossen wurde. Er drehte sich zweimal im Kreis. „Es gibt wirklich keinen Ausweg ins All?"
„Nein, Cheni-Tarr. Überall lauern Roboter und Bewaffnete."
„Das spielt keine Rolle", hörte er sich sagen. „Sie haben nicht vor, uns zu töten.
Wenn wir uns ergeben..."
Es dauerte höchstens zwei Atemzüge, dann schalteten die ersten Soldaten ihre Deflektoren aus. Phang-Troc erkannte, daß seine Männer sich vor ihm zurückzogen.
Sie deuteten auf ihn, als sei er mit Aussatz behaftet. Sie bildeten eine geschlossene Gruppe. „Ergeben?" kam die Frage. „Hat dich der Wahnsinn befallen? Wie kannst du verlangen, daß wir gegen das Höchste verstoßen, was wir besitzen? Gegen unsere Ehre?"
„Niemand verlangt das!" rief er. „Ich will euch nur begreiflich machen, daß wir nicht um unser Leben bangen müssen.
Vielleicht gibt es einen anderen Weg, doch noch unser Ziel zu erreichen!"
Er wußte es selbst. Er sah sich erneut um, und entdeckte eine Luke, die sich an der linken Seitenwand in einem Terminal befand. Wenn er sie öffnen konnte, gelänge ihnen vielleicht die Flucht.
Die Soldaten nahmen ihm die endgültige Entscheidung ab. Sie begannen auf die Meiler zu schießen. Der Lärm draußen vor der Halle verebbte, der Gegner erkannte offenbar ihre Absicht und zog sich zurück. „Halt!" schrie Phang-Troc. „Wir können fliehen. Wir haben einen freien Weg, um uns eine neue Ausgangsbasis zu verschaffen, eine neue Bastion!"
Er trat zur Tür und ließ sie auffahren. Er starrte in das Glitzern eines Energieschirms und fuhr zurück.
Sie hatten die Halle isoliert, es gab keinen Ausweg.
Wieder fiel sein Blick auf die linke Wand, dann wandte er sich zu seinen Soldaten und gesellte sich zu ihnen. „Ihr wollt nicht versuchen, zu Thoy-P'ang zurückzukehren?" sagte er leise. „Die lange Warterei hat dir den Verstand verwirrt. Was soll Thoy-P'ang mit uns?
Der Kaiser ist froh, wenn er uns nicht mehr sehen muß. Du bist der Cheni-Tarr. Gib du den letzten Befehl, den ein Anführer geben kann!"
In Phang-Troc begannen sich die Gedanken zu jagen. Er wußte, daß diese Aufforderung über alles entschied. Am Ergebnis änderte es nichts. Weigerte er sich, würden sie ihn erschießen und sich anschließend mit den Meilern selbst in die Luft jagen. Gab er den Befehl, kam der Tod ein paar Sekunden später über sie alle.
Sie starben gemeinsam, wie sie gemeinsam gelebt hatten.
Es mußte sein.
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