1431 - Shaos Feindin
keiner von uns gerechnet.
Shao hatte uns den Weg gut beschrieben.
Den Rover hatten wir dort abgestellt, wo die Wohnwagen standen.
Er fiel dort nicht weiter auf. Den Rest der Strecke gingen wir zu Fuß.
Suko hatte es besonders eilig. Er war sonst die Ruhe in Person. So wie in dieser Nacht hatte ich ihn selten erlebt. Sein Blick war starr nach vorn gerichtet, und er bewegte sich mit langen, raumgreifenden Schritten.
Die Menschen, die hier beschäftigt waren, schliefen tief und fest.
Es waren keine verdächtigen Geräusche zu hören. Es hockte auch niemand in der warmen Luft vor seinem Wagen und kippte sich mit Bier voll. Hier ruhte man sich aus.
Ich hatte Mühe, mit Suko auf einer Höhe zu bleiben. Manchmal murmelte er etwas vor sich hin, was ich aber nicht verstand. Abgesehen von dem Namen Shao.
In der Dunkelheit wuchsen die Karussells hoch wie mehrstöckige Häuser. Ohne Licht und ohne Musik wirkte selbst ein Jahrmarkt verlassen. In der Nacht war auch nichts Buntes zu sehen. Nur die Gerüche waren noch da. So roch es an verschiedenen Stellen nach gegrilltem Fleisch oder nach den berühmten Fish & Chips.
Das große Riesenrad überragte alles. Von dort aus war es nicht mehr weit bis zu unserem Ziel. Shao hatte versprochen, an der Geisterbahn auf uns zu warten. Wir sahen sie sofort, da sie mit beiden Armen winkte.
Ja, sie hatte sich tatsächlich umgezogen und war wieder zum Phantom mit der Maske geworden. Nur hatte sie diese hoch geschoben, sodass wir ihr ganzes Gesicht sahen.
Suko zeigte sich erleichtert. Er konnte nicht anders und musste sie in die Arme nehmen.
»Was hat dich nur hergetrieben?«
Shao lachte leise, bevor sie die Antwort gab. »Es ist ein Ruf gewesen, mein Lieber!«
»Amaterasu?«
»Wer sonst?«
»Und weiter?«
»Ich weiß es nicht genau. Es sind alles nur Fragmente, die ich erfahren habe.«
»Aber es hängt mit deiner Herkunft zusammen?«
»Das mag sein, aber lass uns alles der Reihe nach angehen.« Sie fasste Sukos linken Arm an und zog ihren Freund mit. Mich hatte sie auch gesehen, und wir klatschten uns ab.
Unser Ziel war die Geisterbahn. Als ich den Begriff aussprach, schüttelte Shao den Kopf. »Ich denke, dass du falsch liegst, John.«
»Warum?«
»Weil es keine normale Geisterbahn ist. Man kann von einem Schloss oder einer Festung sprechen, die mit verdammt vielen Überraschungen gespickt ist.«
Bei dem Begriff Festung zuckte ich schon zusammen, was Shao nicht entging.
»Du denkst dabei an Shimada?«
»Ja.«
Shao schielte für einen Moment an mir vorbei und hob dann die Schultern.
»Kann sein, dass Nagita damit in Verbindung steht«, gab sie mit leiser Stimme zu.
Es war wieder ein neuer Name gefallen, den ich nicht kannte.
Dementsprechend überrascht schaute ich sie an.
»Wer ist das?«, fragte ich.
Shao winkte ab. »Später. Wir sollten zuerst nach dem Toten schauen.«
Das war zwar klar und auch wichtig, aber Suko, der wieder normal dachte und seine Freude über das Wiedersehen mit Shao in den Griff bekommen hatte, stellte endlich die Frage, die ihm auf dem Herzen brannte.
»Warum hast du uns vor deinem Verschwinden nichts gesagt?«
Shao senkte den Blick. »Es ging nicht. Es war zudem meine Sache, wenn du so willst. Ich habe einen Ruf empfangen, und dem musste ich folgen. Es liegt zwar alles lange zurück, aber jetzt ist es zurückgekehrt.«
»Die Sonnengöttin?«
»Wer sonst?«
Shao sah ein wenig traurig aus. Oder wie eine Frau, die sich Vorwürfe machte. »Ich weiß ja, dass es nicht richtig war und ich dir etwas hätte sagen müssen, aber es ist einfach über mich gekommen. Das ging nicht anders. Ich musste weg. Ich spürte den Drang in mir, und ich wusste über die Gefahr Bescheid, die man mir andeutete.«
Sie sprach uns jetzt beide an. »Ihr wisst genau, wer ich bin. Die Letzte in der Reihe der Ahnenkette. Wenn Amaterasu etwas will, dann kann ich mich ihr nicht verweigern. Das ist nun mal so, und danach muss ich mich richten. Sie hatte Recht. Ich habe es erlebt. Nagita ist hier und hat einen Toten hinterlassen. Ihr werdet ihn gleich sehen.«
»Gut«, sagte Suko.
Es waren nur wenige Schritte bis zur Rampe. Wir gingen sie langsam und schauten uns dabei um. Ein nächtlicher Jahrmarkt ist wirklich eine Welt für sich. Die mächtigen Fahrgeschäfte schienen eingeschlafen zu sein. Dunkle Riesen, hin und wieder durch einen Lichtfleck bestrahlt, der allerdings nicht für Wärme, sondern für Kälte sorgte.
Ich kannte natürlich die entsprechenden
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