1433 - Der Engel, die Witwe und der Teufel
scharfe Schmerzen hinter ihrer Stirn. Sie spürte einen wahnsinnigen Druck auf den Augen, und ihr Mund bewegte sich zuckend.
Dass ihr geliebter Mann unter ihr in dieser Holzkiste lag, das konnte sie nicht fassen. Er war noch so jung gewesen. Vor zwei Jahren hatten sie seinen vierzigsten Geburtstag gefeiert – und jetzt das!
Der Tod hatte keine Gnade gekannt. Er hatte ihn mitten in der Luft erwischt, einfach so, was eigentlich unmöglich war, das hatte ihr jeder gesagt, der sich auskannte.
Und doch war Sean tot!
Er lag jetzt unter ihr in diesem verdammten Sarg. Nie wieder würde sie mit ihm ein Wort reden können. Sie war jetzt allein auf dieser verdammten Welt.
Noch immer zuckte ihr Körper unter Weinkrämpfen. Nur mühsam holte sie Luft. Sie verschluckte sich. Sie hustete und röchelte, und sie sprach immer wieder den Namen ihres Mannes aus.
Und dann war plötzlich jemand bei ihr!
Zuerst nahm Kate ihn nicht richtig wahr. Er musste sie schon mehrmals berühren und über ihren Hals hinweg streichen, bevor sie sich darauf einstellen konnte.
Was war das?
Auf dem Sargdeckel blieb Kate liegen. Plötzlich konnte sie ruhig sein und hielt sogar für einen Moment den Atem an.
Es wurde still.
Und in diese Stille hinein klang die leise Stimme.
»Es tut mir Leid – es tut mir so unendlich Leid…«
***
Kate Finley wusste nicht, was sie denken sollte. Sie lag weiterhin über dem Sarg ihres Mannes und hielt die Handflächen gegen das harte Holz gepresst. Doch ihr Kopf war plötzlich klar geworden, und so konnte sie sich eine Frage stellen.
Hatte es tatsächlich eine Stimme gegeben? Hatte jemand mit ihr gesprochen und so etwas wie eine Entschuldigung formuliert?
Kate konnte es nicht glauben, und zum ersten Mal schoss ihr der Begriff unmöglich durch den Kopf.
Aber war nicht auch der Tod ihres Mannes nach menschlichem Ermessen unmöglich gewesen?
Sie blieb liegen. Jetzt wartete sie ab. Sie krümmte die ausgestreckten Finger, als wollte sie die Nägel in das Holz bohren.
Noch einmal dachte sie darüber nach, was sie gehört hatte, und fragte sich, ob das stimmte und sie sich nicht geirrt hatte. Es war alles möglich in diesem verdammten Lebensabschnitt, da machte sie sich keinerlei Illusionen, und sie schaffte es jetzt sogar, ihren Atem zu beruhigen und abzuwarten.
Wiederholte sich die Stimme? Wenn ja, wer hatte überhaupt mit ihr gesprochen? Sie hatte auch nicht herausgefunden, ob es eine Frau oder ein Mann gewesen war und sie sich die Stimme sowieso nur eingebildet hatte.
Es hieß abwarten.
Sie lag weiterhin auf der harten Fläche, doch dann fand sie die Kraft, sich aufzurichten. Mit Zitterknien blieb sie von dem schmalen Ende des Sargs stehen, rang nach Luft und wartete darauf, dass sich die oder der Fremde wieder meldete.
Nichts passierte.
Kate wischte über ihre Augen, weil sie endlich klarer sehen wollte.
Das Kreuz sah sie jetzt deutlicher, und auch die Wände wirkten nicht mehr so verschwommen. Nur einen Besucher konnte sie nicht ausmachen. Den hatte sie sich wohl doch nur eingebildet. Sie dachte sogar daran, dass die Seele ihres Mannes sie besucht haben könnte, und kaum war dieser Gedanke in ihr hochgestiegen, da glitt der kalte Hauch über ihren Nacken hinweg.
Der leise Aufschrei! Das Zusammenzucken…
Es war ein Automatismus, den sie nicht hatte lenken können. Aber er war mit der Gewissheit verbunden, dass sie nicht mehr allein in der Leichenhalle stand.
Würde man auch wieder mit ihr sprechen?
Darauf wartete sie. Sie wünschte es sich herbei, aber Kate traute sich nicht, sich umzudrehen und zum Eingang zu schauen.
Sie musste warten…
Zeit verging, und sie merkte, dass sich etwas um sie herum veränderte. Es lag an der Luft, die plötzlich einen anderen Geruch ausströmte. Jetzt roch es in ihrer Nähe irgendwie aromatisch, aber das konnte auch eine Täuschung sein.
»Es tut mir so Leid, Kate, so Leid…«
Da war sie wieder. Diese Stimme, die niemandem gehörte. Zumindest keinem, den sie sah. Ein Flüstern nur, ein Hauch, aber sie war verdammt deutlich gewesen.
Wem tat was Leid?
Kate ging in die Knie, ob sie es nun wollte oder nicht. Sie hörte sich selbst stöhnen. Wieder überkam sie das große Zittern, und sie musste sich am Sargdeckel abstützen, um nicht zu fallen.
Es gab keine natürliche Erklärung. Sie fühlte sich von Kräften umgeben, die ihr unbekannt waren. Sie konnte sie als unheimlich und als nicht zu fassen ansehen, und sie mussten in einem Zusammenhang mit ihrem
Weitere Kostenlose Bücher