1437 - Der weibliche Tod
Blick, um zu erkennen, dass sie allesamt recht alt waren.
Dora ging jetzt langsamer. Sie hielt die Hände vor ihrem Körper verkrampft zusammen.
»Welche Gruft ist es?«, fragte Suko.
»Die letzte auf der rechten Seite.«
»Gut.«
»Muss ich denn mit?«
Suko und ich hatten den ängstlichen Ton aus ihrer Frage herausgehört, und wir taten ihr damit einen Gefallen, als wir sagten, dass es nicht nötig wäre.
»Dann warte ich hier – oder?«
»Das können Sie«, sagte Suko.
Ab jetzt war es unser Spiel, und wir blickten uns zunächst um, weil wir mit einer Störung durch Besucher rechneten. Doch auf diesem Teil des Friedhofs hatten wir Glück. Hier gab es keine frischen Gräber, denn wer hier begraben lag, der war längst verwest und zu einem Skelett geworden.
Früher mochte es mal einen Weg zu den Grüften gegeben haben.
Zu sehen war er nicht mehr. Gras und niedrige Pflanzen hatten ihn zugewuchert, sodass wir das Gefühl hatten, über einen Teppich zu schreiten.
Die Gruft, die uns Dora beschrieben hatte, sah nicht so aus, als wäre sie erst vor einigen Jahren gebaut worden. Sie war von allen Seiten hin offen und hatte trotzdem ein Dach, das von vier Säulen getragen wurde. An ihnen hatten sich Pflanzen hochgerankt, und ihr Gestein verströmte einen kühlen Geruch.
Ich runzelte die Stirn, als wir die Gruft betraten. Für mich war es ein Mittelding zwischen Gruft und Grab, und den Mittelpunkt bildete der offen stehende steinerne Sarkophag.
»Hier hat sie also gekniet«, sagte Suko.
»Ja, und du fragst dich jetzt, warum sie das getan hat.«
»Genau.«
»Gebetet hat sie bestimmt nicht.«
Suko hob nur die Schultern. Er schritt die Seiten des Sarkophags ebenso ab wie ich. Uns fiel zunächst auf, dass er ziemlich hoch war.
Er reichte mir fast bis zur Gürtellinie. Da das Gestein ständig Wind und Wetter ausgesetzt war, hatte es seine ursprüngliche Farbe verloren. Über das Grau hatte sich eine dünne Patina aus grünlichem Moos gelegt. Von ihr war auch der steinerne Deckel nicht verschont geblieben, und um ihn kümmerte ich mich ganz besonders, während Suko die Seiten nach irgendwelchen Hinweisen darauf absuchte, wer hier wohl begraben lag.
Eine Schrift entdeckte ich beim ersten Blick auf den Deckel nicht.
Dafür war die Moosschicht zu dick, aber ich war kein Mensch, der schnell aufgab. Ich nahm die kleine Leuchte als Hilfe und ließ den Lichtkreis über jede Stelle wandern.
Ich hatte Glück.
Es gab die Zeichen, Buchstaben, oder was auch immer. Aber sie waren unter der grünlichen Patina nicht zu entziffern.
»Hast du was gefunden, John?«
»Ja. Aber ich kann es nicht lesen.«
Suko trat an meine Seite, schaute ebenfalls nach und gab schnell auf.
»Da ist nichts zu machen.«
»Es sei denn, wir kratzten hier alles frei.«
»Lohnt es sich?«
Ich hob die Schultern. »Keine Ahnung, ob es sich lohnt oder nicht.« In den folgenden Sekunden vergaß ich den Deckel und fragte: »Warum hat dieses Wesen hier gekniet und gebetet oder getrauert oder war in Gedanken versunken?«
»Frag mich nicht so etwas.«
»Einverstanden. Dann frage ich dich, wer unter diesem Deckel liegen könnte.«
Suko schaute mich fast böse an. »Du erwartest doch nicht im Ernst darauf eine Antwort?«
»Nein, das nicht. Aber wir könnten es herausfinden.«
»Sag nur nicht, dass du die Platte anheben willst.«
Ich grinste. »Nicht ich allein…«
Der Inspektor schaute sich das Ding noch mal genauer an. »Super, deine Idee. Leider nicht ausführbar. Ich denke, dass sie erstens zu schwer ist und zweitens schon so lange auf dem Unterteil liegt, dass sie festgebacken ist.«
»Ich habe dich für stärker gehalten.«
Suko klopfte auf die Platte. »Hört sich verdammt dick an, wenn ich mich nicht irre.«
Ich hatte mich dort hingestellt, wo auch das seltsame Wesen gekniet hatte und in Trance versunken war. Ich machte es ihm nach, aber ich hatte Pech. Unter der Platte war nichts zu hören und auch nichts zu spüren.
Suko schaute sich inzwischen wieder die Seiten an. Doch so oft er auch um den Sarkophag herumging, es war kein Hinweis auf den Inhalt zu finden.
Mir ging der Deckel nicht aus dem Kopf. Da er an den Seiten leicht überstand, war es leicht, die Finger unter den Rand zu legen, um das Oberteil in die Höhe zu hieven.
Ich startete einen Versuch.
Suko, der sich wieder aufgerichtet hatte, schaute zu mir – und sah mein erstauntes Gesicht, denn ich schaffte es völlig allein, die Platte ein Stück anzuheben.
»Jetzt bin ich
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