1439 - Totenfeld
er immer langsamer wurde. Er wusste genau, was das bedeutete. Die Verfolger würden aufholen, und so war es nur eine Frage der Zeit, bis sie ihn eingeholt hatten.
Da half kein Fluchen, kein Schreien, es ging einfach nicht schneller. Wyman wollte sich auf keinen Fall fassen lassen. In die Hände der Bullen zu geraten und abgeurteilt zu werden war für ihn ein böser Albtraum. Deshalb sah er nur eine Möglichkeit und hoffte dabei, dass sich der Nebel diesmal als Freund auf seine Seite schlug.
Weg von der Maschine und quer übers Feld fliehen. Auf der rechten Seite hatte er einen Graben gesehen. Der bot sogar eine Chance, die Maschine zu verstecken.
Wyman fuhr noch langsamer. Die Kawasaki rutschte in den Graben hinein. Wyman war rechtzeitig genug abgesprungen. Er lief dabei weiter, sah den Graben vor sich und setzte mit einem Sprung über ihn hinweg.
Dann rannte er in den Nebel.
Ja, er rannte.
Er stampfte über den schweren und weichen Boden. Er wusste nicht, wie groß das Feld war, das ihm die Flucht ermöglichen sollte.
Er wollte nur weg von den Bullen, um nicht vor Gericht gestellt zu werden.
Irgendwann ist jeder Mensch mal am Ende seiner Kräfte. So war es auch bei ihm. Die Luft wurde ihm knapp. Bei jedem tiefen Luftholen spürte er Schmerzen in der Brust, und vor seinen Augen tanzten irgendwelche Flecken, die es eigentlich gar nicht gab.
Es kam, wie es kommen musste. Einmal brachte er sein Bein nicht mehr rechtzeitig hoch. Er hatte die Furche übersehen, trat hinein, wollte wieder raus und stolperte über den Rand.
Er fiel nach vorn und klatschte der Länge nach auf den weichen Boden. Es lag zum Glück kein Stein in der Nähe, an dem er sich sein Gesicht hätte aufschlagen können. Er spürte nur die feuchte Erde, auf der er keuchend liegen blieb. Nur den Kopf drehte er zur Seite, damit er Luft holen konnte.
Alles war okay bisher. Alles war gut. Mit seiner Erschöpfung kam er zurecht. Der Nebel umgab ihn wie ein nie abreißendes Tuch. Er hörte auch nicht die Sirene seiner Verfolger, er blieb einfach nur liegen und spüre die Kälte des Nebels auf seiner Haut.
Allmählich beruhigte sich sein Herzschlag. Er konnte sogar lachen, als er feststellte, dass er die Tüte mit der Beute mitgenommen hatte.
Er hatte sie sich instinktiv in den Hosenbund gestopft, und daran konnte er sich nicht mal erinnern.
Um ihn herum war es still.
Das stellte Wyman fest, als er seinen eigenen Herzschlag nicht mehr so deutlich hörte. Es gab keine Laute. Es flatterte kein Vogel durch die Luft. Er hörte kein Geschrei. Auch das Heulen der Sirene war verschwunden.
Es gab nur noch ihn und den Acker!
Ernest Wyman wollte nicht mehr länger liegen bleiben. Er kam hoch. Dass sein Lederzeug durch die feuchte Erde beschmiert war, störte ihn nicht.
Er stellte sich hin. Lauschte. Keine Stimmen, keine Lichter, die sich durch den Nebel bewegten. Eine tiefe Stille umgab ihn.
Ein Grinsen glitt über sein Gesicht. Es war die Reaktion auf seine Gedanken, denn er hatte es geschafft und war den Bullen entwischt.
Sie mussten an der Maschine vorbeigefahren sein. Es war für Wyman ein toller Gedanke, dies zu wissen. Aber er durfte nicht zu lange lächeln und die Bullen unterschätzen. Sie würden sehr bald merken, dass er sie reingelegt hatte.
Die Folge davon hieß Fahndung. Möglicherweise sogar Großfahndung, aber darauf wollte er nicht setzen. Das Wetter war durch den Nebel zu schlecht.
Da konnten sie keinen Hubschrauber einsetzen. Deshalb würden sie Straßensperren errichten. Auch die fürchtetet Ernest Wyman nicht, denn Sperren konnte er locker umgehen. Da stand die Natur auf seiner Seite. Bis sie die Maschine gefunden hatten, würde es auch dauern, und Fingerabdrücke hatte er nicht hinterlassen. Noch jetzt trug er seine Handschuhe und würde sie auch nicht ausziehen.
Er drehte sich einmal um die eigene Achse. Wohin?
Die Richtung konnte er sich aussuchen, nur wusste er nicht, wo er landen würde. Für ihn war das Ende des Felds wichtig. Über seine Größe wusste Wyman nichts. Er dachte allerdings zurück und rekapitulierte, wie er gelaufen war.
Immer geradeaus? Da war er sich nicht sicher. In seiner Panik hätte er leicht die Richtung verändern können, ohne es zu merken. Hinzu kam der Nebel, der eine Orientierung so gut wie unmöglich machte. Der Nebel war überall: Egal, in welche Richtung er sich drehte. Er war vorhanden und würde auch bleiben.
Das war nicht gut. Aber immer noch besser, als von den Bullen geschnappt zu
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