1439 - Totenfeld
ruhigen Herbstwetter, das die Luft mit Nebel gefüllt hatte.
Wir hatten eigentlich darauf gesetzt, dass der Nebel auf dem Land verschwinden würde. Teilweise war das auch geschehen, aber einige Meilen vor Hollow Field hatte es uns wieder erwischt. Es war nicht so schlimm, als dass wir uns hätten vortasten müssen. Die Sicht betrug ungefähr fünfzig Meter. Das reichte noch aus, um gut zu fahren, aber wir waren schon langsamer geworden.
Man konnte sagen, dass der Nebel die Umgebung verzaubert hatte. Der Dunst umschlang die Bäume, die Sträucher, er lag wie dünne Watte auf den Feldern, und er war auch in die kleinen Orte hineingekrochen, durch die wir gefahren waren.
Hügel oder Berge gab es hier nicht. Das Land war flach wie ein Brett. Im Sommer standen die Felder hier voll mit Mais und Getreide. Jetzt waren sie längst abgeerntet worden.
Dass Halloween zum Greifen nahe vor uns lag, hatten wir nicht übersehen können. Auch in den kleinen Ortschaften wurde dieses Fest gefeiert, und so manch erleuchteter Kürbis stand vor einem Haus oder hatte seinen Platz auf einer Fensterbank gefunden.
Wir waren in London noch vor dem Mittag losgefahren. An Brentwood vorbei, das nordöstlich liegt, und dann in Richtung Norden, hinein in die flache Landschaft.
Jetzt befanden wir uns auf dem direkten Weg zu unserem Ziel, ich fragte mich, wie man sich als ältere Frau nur so ein Kaff aussuchen konnte. Vergessen von der normalen Welt, so stellte ich mir Hollow Field vor. Schon allein der Name gefiel mir nicht.
Leeres Feld…
Ich war gespannt, was uns erwartete. Zudem hatten wir uns vorgenommen, nur so lange zu bleiben wie nötig. Keine Übernachtung.
Wir wollten uns anhören, was uns Anna Bancroft zu sagen hatte und uns später mitgeben würde.
Der Weg verengte sich. Von einer Straße konnte man kaum noch sprechen. Hier hatte sich auch niemand um die Beseitigung von Schlaglöchern gekümmert.
Wir sahen ein Schild, entdeckten zwei Teiche mit Trauerweiden und sahen dann die zahlreichen kleinen Häuser, die sich nicht gegen den Dunst hatten wehren können und von ihm umschlossen wurden.
Als wir in den Ort hinein fuhren, sahen wir keine Menschen auf den Straßen.
Die Luft war klamm. Durch den Nebel war sie auch kühl geworden. Ob es hier Straßenbezeichnungen gab, wusste ich nicht. So fuhren wir langsam in das Dorf hinein, wobei ich die Scheibe nach unten hatte fahren lassen, um jemanden anzusprechen.
»Ich halte mal vor dem Blumenladen.«
»Okay.«
Ich stieg aus. Da wir bisher nur den Motor gehört hatten, fiel mir jetzt die Stille auf. Vielleicht auch bedingt durch den Nebel, der alle Geräusche schluckte.
Ich ging auf den Laden zu, in dessen kleinem Schaufenster natürlich auch die Kürbisköpfe ausgestellt waren. Ein paar Meter weiter fiel mir die Leuchtschrift einer Bankfiliale auf, die ich nicht weiter beachtete.
Eine Glocke klingelte, als ich die Tür aufdrückte. Im Laden war es ziemlich dunkel. Es roch nach Erde, nach altem Wasser und auch nach Blumen, die allerdings nicht in sehr großen Mengen vorhanden waren. Dafür konnte man jede Menge Tannengrün kaufen.
Eine Frau drehte mir den Rücken zu.
Sie kniete auf dem Steinboden und war damit beschäftigt, das geschnittene Tannengrün aufeinander zu stapeln.
Dicht hinter ihr blieb ich stehen und wollte mich bemerkbar machen. Es war nicht nötig. Sie hatte bereits die Glocke gehört und wusste, dass ein Kunde gekommen war.
»Moment noch, ich bin gleich fertig.«
»Okay, ich habe keine Eile.«
»Die hat hier niemand, Mister. Hier ist die Zeit stehen geblieben.«
»Auch nicht schlecht.«
»Was mir leider keine Kunden bringt.« Die Frau erhob sich mit mühsamen Bewegungen. Das lange Knien hatte sie schon etwas steif gemacht. Sie drehte sich ebenso langsam um, und ich schaute in ein Gesicht, das recht viele Falten aufwies. Siebzig Jahre hatte die Frau sicherlich schon auf dem Buckel. Sie trug einen dunkelgrünen Kittel über einem dunklen Pullover und hatte zwei Kämme in ihr graues Haar gesteckt.
»Was kann ich Ihnen verkaufen, Mister?«
»Ein Antwort.«
Sie schüttelte den Kopf und lächelte dabei. »Das hatte ich mir schon gedacht. Aber wollen Sie nicht wenigstens einen Kürbis oder etwas Tannengrün?«
»Nein, tut mir Leid.«
Sie rieb ihre Handflächen am Kittelstoff ab. »Was kann ich dann für Sie tun?«
»Meine Freundin und ich haben uns nicht verfahren, wie Sie vielleicht annehmen. Wir wollen jemanden besuchen, der hier in Hollow Field lebt. Eine
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