144 - Condano, der Magier
vergingen. Ein durch Mark und Bein dringendes Sirren ertönte hinter der Tür. Vittorio bemühte einen äußerst starken Zauber, um aus den Resten Giovannis noch etwas zu erfahren.
Nach fast einer Stunde kehrte er wieder zurück.
„Giovanni verfolgte ein Opfer. Es sieht so aus." Er nahm einen Bogen Papier und zeichnete das Gesicht des Mädchens auf. Es glich fotografisch exakt Gaby Reuter. Und dann wob der Alte einen Zauber darüber, der der Zeichnung das Bewußtseinsmuster des Mädchens aufprägte.
„Findet sie. Wie ihr das macht, ist eure Sache. Giovanni hatte sie ausgesucht, und er wird seine Gründe dafür gehabt haben. Wahrscheinlich befindet sie sich nicht mehr in Venedig. Sie dürfte nach Mestre geflohen sein. Sucht dort und im weiteren Umkreis."
„Und die Zamis?"
„Giovanni wußte nicht, weshalb sie hinter ihm her war. Sie fragte ihn allerdings nach den Opfern. Sie muß also etwas ahnen. Ich frage mich, woher. Selbst die Polizei tappt restlos im dunkeln."
„Auch wenn sie nur etwas ahnt, muß sie sterben."
„Ich kümmere mich darum", sagte Vittorio. „Ich werde sie finden."
Rico hob die Hand. „Hast du auch daran gedacht, daß wir in dieser Nacht nur zu sechst sein werden?"
„Ja", knurrte der Alte.
„Und?"
„Nichts und. Verschwindet. Seht zu, daß ihr das Mädchen findet. Alles andere ist meine Sache."
„Er ist leichtsinnig", sagte Rico später. „Ich verstehe ihn nicht. Es wird schiefgehen. Ob der Halley- Komet ihm die Sinne verwirrt?"
Micaela hob die Schultern.
„Bis jetzt habe ich immer noch das Gefühl, daß er genau weiß, was er tut. Er ist doch selbst am stärksten daran interessiert, daß es klappt. Und es wird klappen. In dieser Nacht wird Condano erwachen."
„Condano…", wiederholte Rico, und es klang wie ein Fluch.
Vittorio Zardoni führte in den nächsten Minuten ein Telefonat. Er dachte gar nicht daran, sich selbst die Hände zu beschmutzen. Wo Coco Zamis war, war zuweilen auch Dorian Hunter nicht fern, und entgegen seiner Behauptung hatte der alte Zardoni vor ihm großen Respekt. Zu viele Dämonen hatte Hunter inzwischen schon zur Strecke gebracht. Und Vittorio selbst hatte sich nur deshalb so lange an der Spitze seiner Sippe halten können, weil er im Hintergrund blieb wie die Spinne im Netz und die Arbeit von anderen erledigen ließ. Er wußte auch genau, wer wofür einzusetzen war. Er hatte seine Verbindungen überall hin.
Er setzte auch Menschen ein. Menschen, die nicht ahnten, mit wem sie es in Wirklichkeit zu tun hatten. In diesem Fall schien ihm ein solcher Einsatz geeignet. Zardoni wußte, daß er damit ein ungeschriebenes Gesetz brach, aber er wollte so kurz vor dem Erfolg seines großen Plans kein Risiko mehr eingehen.
Normalerweise entledigten sich Dämonen ihrer dämonischen oder magischen Gegner mit den Waffen der Magie. Unter normalen Umständen hätte Zardoni ebenso verfahren, dem dämonischen Kodex folgend.
Aber diesmal nicht.
Er erteilte den Auftrag, eine Frau - und gegebenenfalls einen Mann - ausfindig zu machen und auszuschalten. Er gab die Namen und Personenbeschreibungen, soweit sie ihm bekannt waren, durch, und stellte eine hohe Belohnung in Aussicht. Seine Geschäftspartner kannten das Spielchen schon und wußten, daß sie prompt bezahlt werden würden. Auf Zardoni war immer Verlaß. Deshalb arbeitete die ehrenwerte Gesellschaft zuweilen mit ihm zusammen und nahm lukrative Aufträge entgegen.
Dann machte Vittorio sich daran, Verstärkung aus Florenz herbeizubefehlen.
Coco fand Dorian im kleinen Park und setzte sich zu ihm. „Zardoni", sagte sie und berichtete, was sie erlebt hatte. Viel war es nicht.
„Florenz… hm", machte Dorian. „Das nützt uns wenig. Wir müssen die Zardonis hier in ihrem Venedig-Schlupfwinkel aufspüren."
Er überlegte, ob es sinnvoll war, der Polizei einen Tip zu geben. Wahrscheinlich nicht. Möglicherweise waren die Zardonis offiziell nicht einmal registriert. Und wenn - wer würde glauben, daß es sich um Dämonen handelte?
Die kommende würde die siebte Nacht sein. Danach war wahrscheinlich ohnehin alles vorbei. Es ging also zunächst erst einmal darum, hier einzugreifen. Offizielle Stellen würden dabei eher hinderlich sein. Ein einziges Mal hatte Dorian eine Ausnahme erlebt. Damals, als der britische Secret Service die Inquisitionsabteilung einrichtete. Aber das war auch längst schon Vergangenheit.
Der Unglaube der Menschen war der beste Verbündete der Dämonen.
„Ich habe eine Idee", sagte
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