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1441 - Der Seelenfluss

1441 - Der Seelenfluss

Titel: 1441 - Der Seelenfluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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immer durch das Tuch vermummt war.
    Ich zerrte es weg und leuchtete in sein Gesicht. Es war das eines noch recht jungen Chinesen. Im Licht der Lampe sah die Haut aus wie kaltes Hammelfett.
    Er war nicht tot, aber er lag in einem tiefen Schlaf. Dass er gefährlich war, wusste ich. Deshalb ging ich auf Nummer sicher und legte ihm Handschellen an.
    In diesen Augenblicken spürte ich die Kälte noch intensiver. Bei jedem Ausatmen bildete sich eine Wolke vor meinen Lippen. Die kahlen Baumäste kamen mir plötzlich wie feindliche Arme vor, die sich jeden Augenblick senken und nach mir greifen konnten.
    Das passierte natürlich nicht. Es blieb alles ruhig. Es tauchten auch keine weiteren Killer mehr auf.
    Nur meine linke Schulter schmerzte. Ich legte die rechte Hand darauf und versuchte, sie mit den Fingern zu massieren. Viel brachte es nicht, denn ich verteilte den Schmerz nur.
    Jedenfalls konnte ich meinen Arm bewegen. Er war nicht gebrochen oder verstaucht. Hätte mich der Treffer am Kopf erwischt, Himmel, daran wollte ich gar nicht denken.
    Wie viel konnte der Killer vertragen? Ich hatte ihn gefesselt und kniete mich neben ihn.
    Dann schlug ich ihm mit den Handflächen einige Male gegen die Wangen. Dabei sah ich, dass auf seiner Stirn eine Beule gewachsen war. Manche Menschen sind verdammt zäh, und dieser Mann gehörte zu der Sorte, denn als ich sein Stöhnen hörte, da wusste ich, dass er sich auf dem Weg zurück ins Bewusstsein befand.
    Er schlug die Augen auf.
    Sein Blick traf mein Gesicht, aber er reagierte nicht. Für ihn war die normale Welt noch verschwommen.
    »Okay?«
    Ich hörte ein leises Zischen als Antwort.
    Noch mal schlug ich ihm leicht gegen die Wangen.
    Die Folge davon war ein Stöhnen, dem ein leises Fluchen folgte.
    Aber er öffnete die Augen noch weiter, und ich sah, wie er seinen Mund verzog.
    Er erkannte mich. Sein Fluch galt mir, auch wenn ich nicht verstand, was er sagte. Aber es hörte sich wie ein Fluch an, und ich vermutete, dass er mich zur Hölle wünschte.
    »Okay, du hast es nicht geschafft, mein Freund. Jetzt werden wir beide uns mal genauer unterhalten, und ich will keine Märchen hören.«
    Der Killer grinste. Dann gab er mir eine Antwort, und ich fühlte mich regelrecht verarscht, denn er sprach Chinesisch mit mir. Davon hatte ich nun überhaupt keine Ahnung.
    »Ich glaube nicht, dass du nur Chine…«
    Etwas Nasses klatschte in mein Gesicht. Es war der Speichel des Killers, der meine Wange getroffen hatte. Die Antwort reichte mir.
    Ich konnte hier noch zwei Tage mit ihm reden wollen, er würde mir nicht in meiner Sprache antworten. Chinesen können verdammt stur und zäh sein.
    Ich sah nicht ein, dass ich hier meine Zeit verplemperte. Die Kollegen sollten kommen und sich nicht nur um den Lebenden kümmern, sondern auch den Toten mitnehmen.
    Um in Ruhe telefonieren zu können, ging ich zwei Schritte zur Seite. Das Handy hielt ich bereits in der Hand, um die Verbindung herzustellen. Leider kam ich nicht mehr dazu, denn die Stille wurde von einem leisen Geräusch unterbrochen.
    Es knirschte.
    Dünnes Glas zerbricht mit derartigen Lauten…
    Etwas schrillte durch meinen Kopf. Es war ein bestimmter Verdacht, und ich fuhr mit einer wilden Bewegung herum.
    Der Chinese bäumte sich auf. Sein Gesicht sah furchtbar aus. Er hatte den Mund weit geöffnet, bekam aber keine Luft mehr. Unendliche Qualen mussten ihn innerlich zerreißen und brachten ihm schließlich den Tod. Als ich mich über ihn beugte, lebte er nicht mehr. Dafür drang mir der Geruch nach bitteren Mandeln in die Nase.
    Ich wusste Bescheid.
    Der Chinese hatte eine Zyankalikapsel zerbissen, die irgendwo in seinem Mund versteckt gewesen war.
    Ich konnte jetzt die Kollegen anrufen und ihnen erklären, dass sie es mit zwei Leichen zu tun bekamen.
    So hatte dieser Ausflug nicht enden sollen…
    ***
    Erschöpft war ich nicht. Trotzdem lehnte ich mich gegen meinen Rover, als ich telefonierte. Die Nacht war für mich noch längst nicht beendet. Wir hatten einen Stein ins Wasser geworfen, und der zog immer mehr Kreise. Das rettende Ufer hatten wir noch nicht erreicht.
    Die andere Seite machte kurzen Prozess. Dass Paul Hui verfolgt wurde, hatte ich von ihm gehört, doch wenn ich ehrlich war, hatte ich es nicht so ernst genommen. Das musste ich jetzt tun. Hier verdichteten sich die Dinge. Unsere Feinde waren alarmiert, und wenn sie Paul Hui eiskalt ausschalteten, dann würden sie das Gleiche bei der jungen Chinesin versuchen. Deshalb mussten

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