1442 - Das Relikt
Jugendfreund geheißen, der leider vor zwei Jahren ertrunken war.
Rocco blieb neben ihm stehen und rieb sein Maul an der Schulter des jungen Mannes.
»Ja, ja, es ist ja alles gut, Rocco. Wir leben noch, und wir werden auch weiterhin leben.«
Rocco wieherte, als hätte er die Worte genau verstanden. Er scharrte noch mit den Hufen, dann warf er den Kopf hoch und witterte zur primitiven Steinhütte hinüber, deren Dach sich aus dem hohem Gras erhob.
Beide gingen weiter. Der Durst quälte Mensch und Tier. Der Gaumen des Jungen war ausgetrocknet, als hätte der Rauch dort alle Flüssigkeit aufgesogen.
Der einsame Wanderer hatte damit gerechnet, dass ein schmaler Bach durch diese Schüssel floss. Bisher hatte er jedoch nichts gesehen.
Also musste es einen Brunnen geben. Vor dem Haus sah er ihn nicht, wahrscheinlich fand er ihn an der Rückseite. Tiere lebten nicht bei diesem Bau. Es war alles sehr seltsam, denn er hörte kein Geräusch, abgesehen vom Säuseln des Windes.
Dann scheute das Pferd.
Rocco verlor seine Duldsamkeit. Er wieherte auf, stellte sich auf die Hinterhand und lief danach einige Schritte zur Seite, um in sicherer Entfernung stehen zu bleiben.
Der Junge konnte sich auf den Instinkt des Tieres verlassen.
Der dünne Umhang verbarg sein kurzes Schwert, das er an der linken Seite trug. Er schob den Stoff zurück und legte seine Hand auf den Griff. Er war bereit, die Waffe zu ziehen und sich zu verteidigen.
Dass er mit dem Kurzschwert umgehen konnte, verdankte er seinem Vater und dessen Freund. Beide waren in der Handhabung der Waffe perfekt.
Minutenlang rührten sich Mensch und Tier nicht von der Stelle. Es gab nichts, das auf eine Gefahr hingewiesen hätte. Vom Haus her wehte nichts zu ihnen herüber. Die Stille blieb. Nur hin und wieder wehte ein leichter Brandgeruch vom Schlachtfeld herüber.
Warum hatte Rocco gescheut?
Der Junge schaute auf die Vorderseite der Hütte. Die Tür war nicht geschlossen, doch dahinter breitete sich ein grauer Dämmer aus, der alles verschluckte.
Die Neugierde und der Durst trieben den jungen Mann weiter. Er merkte, dass sich ein Schauer auf seinen Rücken gelegt hatte, der bis zum Nacken reichte.
Aufmerksam näherte er sich der Hütte. Die letzten Schritte brachte er hinter sich, und dann huschte ein Lächeln über seine Lippen, als er den kleinen Brunnen sah, der eine Körperlänge vom Haus entfernt gegraben worden war.
Ein Ledereimer hing an der Winde, und der Durst des Jungen wurde stärker als seine Vorsicht. So ging er zuerst auf den Brunnen zu. Er schaute hinein. Das Wasser war zu sehen. Seine Oberfläche schimmerte in der Tiefe.
Die Winde funktionierte, und er ließ den Eimer hinab. Er hörte das Klatschen des Aufpralls. Danach sank der Eimer ein und füllte sich.
Der junge Mann zog ihn wieder hoch. Zuerst gab er Rocco etwas zu saufen.
Dann erfrischte sich auch der Junge. Aber er konzentrierte sich dabei auf seine Umgebung. Der Blick glitt in alle Richtungen, denn er hatte das Verhalten seines Pferds nicht vergessen.
Niemand war auf dem Weg zur Hütte. Er brauchte keinen Angriff zu fürchten.
Ein zweites Mal tauchte er den Eimer nicht ein. Eine Füllung reichte für Mensch und Tier.
Danach wollte er sich die Hütte vornehmen. Er drehte sich um und sah Rocco in einer starren Haltung stehen, konzentriert auf die Hütte, auf die er nicht zuging.
»He, was ist denn?«
Rocco scharrte nur leicht mit den Vorderhufen.
»Gut, wenn du…«
Der Ankömmling sprach nicht mehr weiter. Ein Geräusch hatte ihn gestoppt, und das war durch die offene Tür aus der Hütte gedrungen.
Abwarten – vorsichtig sein…
Er zog sein Schwert noch nicht und wartete darauf, dass sich das Geräusch wiederholte. Lange brauchte er nicht zu warten, dann klang das Stöhnen erneut auf.
Nein, das bedeutete keine Gefahr. Hier lag ein Mensch, dem es schlecht ging. Ihm wurde nichts vorgespielt, denn das Stöhnen hörte sich echt an.
Der Junge war dazu erzogen, zu helfen, wenn es einem Menschen schlecht ging. Das gehörte zur Ritterlichkeit eines Mannes, und ein echter Ritter zu werden, davon träumte er. Den Weg dazu hatte er eingeschlagen.
Da er recht kräftig und auch hoch gewachsen war, musste er beim Betreten der Hütte den Kopf einziehen.
Das Dämmerlicht hing wie ein grauer Vorhang vor dem Inneren.
Nur an der gegenüberliegenden Wandseite war es heller, denn dort gab es die beiden kleinen Fenster, durch das Tageslicht in die Hütte sickerte.
Dort lag der Mann.
Ein Bett
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