1442 - Das Relikt
trampelte mit beiden Füßen auf dem Boden herum, schüttelte den Kopf in einer Art und Weise, als wollte er ihn loswerden, und dann passierte etwas, womit der Junge niemals gerechnet hatte.
Das Kreuz fing an zu brennen!
Plötzlich jagte das Feuer aus ihm hervor. Flammen von dunkelroter Farbe. Ein Feuer, das keinen Rauch abgab und auch keine Wärme. Flammen, die der Teufel dirigierte und die direkt aus der Hölle zu kommen schienen.
Das Kreuz brannte lichterloh. Als feuriges Fanal blieb es auch weiterhin im Körper des Schmieds stecken, der seinen Tanz nicht unterbrach, mit dem Schreien aufgehört hatte und dafür Worte aus seinem Mund hervorpresste, die in Godwins Ohren nicht zu begreifen waren.
»Er hat mich erhört! Der Teufel gibt mir das ewige Leben! So ist es! Ich weiß es genau! Tod – wo ist dein Stachel? Nicht für mich, denn ich werde ewig leben!«
Nach diesen Worten stieß er ein Lachen aus, wie es Godwin nie zuvor gehört hatte. Es war einfach schrecklich, grauenvoll, und es schien auch nicht durch den Schmied abgegeben worden zu sein, sondern einzig und allein durch den Teufel, der in dieser menschlichen Gestalt steckte.
Mit dem brennenden Kreuz in der Brust taumelte Lucien durch die Hütte. Er ging von einer Seite zur anderen und war noch nicht in Godwins Nähe gekommen.
Das allerdings änderte sich. Er taumelte plötzlich aus einer Drehung heraus nach vorn und auf Godwin zu.
»Komm her, Bübchen! Komm her…«
Godwins Gesicht wurde durch den eisigen Schrecken verwandelt.
Er riss die Augen weit auf, und sein Verstand sagte ihm, dass er jetzt fliehen musste. Wenn er wartete, war es zu spät, und deshalb wirbelte er auf dem Absatz herum.
Rennen, nur rennen!
In seiner Panik zog Godwin den Kopf nicht weit genug ein. So schrammte er unter dem Türbalken entlang und stieß einen Fluch aus. Dann aber war er draußen und rannte weiter.
Hinter sich hörte er das Schreien, aber es wurde leiser, je größer die Distanz zwischen ihm und der Hütte wurde.
Godwin de Salier spürte die Furcht wie eine Peitsche, die auf ihn niederging. Er war nicht in der Lage, sich umzudrehen. Er wollte nichts, aber auch gar nichts mehr sehen. Für ihn war eine Welt zusammengebrochen. Er war verwirrt, aber er dachte auch an den Teufel, der hier im Hintergrund die Fäden zog.
Laufen, taumeln, keuchen. Das alles traf bei ihm zusammen. Er spürte den Druck hinter der Stirn. Unsichtbare Geister trieben ihn voran. Stimmen wirbelten durch seinen Kopf, und als er in ein Gebüsch hineinrannte, da waren die Zweige so stark, dass sie ihn nicht losließen und wie Klammern an seiner Kleidung hingen.
Er versuchte sich mit heftigen Bewegungen loszureißen. Dabei drehte er sich nach links, der Hütte zu.
Der Schmied hatte es in seiner Hütte nicht mehr ausgehalten. Er war bis vor die Tür getaumelt und stand dort mit hoch erhobenen und weit ausgestreckten Armen wie der große Sieger nach einer Schlacht.
Er brannte – oder brannte nur das Kreuz?
Es war für Godwin nicht genau zu erkennen, denn die Flammen bildeten so etwas wie einen Vorhang. Darin allerdings malte sich etwas ab. Zuerst wollte er es nicht glauben, dann aber weiteten sich seine Augen, denn in diesem Feuermantel entdeckte er eine zuckende Fratze, die etwas wahnsinnig Böses ausstrahlte.
War das der Teufel?
Godwin schrie. Er riss sich endgültig von den Zweigen los. Dass dabei sein dünner Umhang in Fetzen ging, störte ihn nicht weiter. Er wollte nur weg. Weg von diesem Grauen. Weg vom Teufel. Weg von der Hölle und wieder hineinflüchten in das normale Leben…
***
Ich lächelte, als ich die gebückte Gestalt durch den böigen Wind laufen sah, der zusätzlich eine Kälte brachte, die das Gesicht eines Menschen einfrieren lassen konnte.
Mir erging es nicht so wie Bill Conolly, denn ich hielt mich unter einem schützenden Vordach auf.
»Ein beschissenes Wetter!«, schimpfte der Reporter.
Ich hob die Schultern. »Wer hat den Termin gemacht? Du oder ich?«
»Das war ich.«
»Eben. Deshalb solltest du dich auch nicht beschweren.«
Bill schüttelte den Kopf. »Ich habe nur an das letzte Bild gedacht, das ich von Sheila sah, bevor ich unser Haus verließ. Sie stand vor dem warmen Kamin, winkte mir mit einer Flasche Rotwein zu und fragte zuckersüß, ob ich denn nicht zu Hause bleiben wollte.«
»Du bist es nicht.«
»Eben, denn versprochen ist versprochen.«
»Danke.«
Er winkte ab. »Hör auf, die eine Pleite reicht mir. Auf eine andere bin ich nicht
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