1442 - Das Relikt
scharf.« Er tippte mir gegen die Brust. »Aber ich sage dir, John, dass das hier keine Pleite wird. Die kleine Ausstellung hat es in sich.«
»Das will ich auch hoffen.«
»Dann lass uns endlich hineingehen.« Ich drückte die rechte Seite der Glastür auf, und so betraten wir die Halle, in der eine angenehme Wärme herrschte, sodass wir uns wohl fühlen konnten. Bill und ich hatten uns entschlossen, eine kleine Ausstellung zu besuchen. Es ging dabei um Exponate aus dem Mittelalter, die bisher noch nicht durch eine Ausstellung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden waren. Jetzt war der Sammler gestorben, und seine Nachkommen hatten die Schätze freigegeben. Sie sollten nicht öffentlich versteigert werden, man hielt alles unter der Hand. Deshalb waren nur bestimmte Personen eingeweiht worden. Zu ihnen gehörte auch Bill Conolly mit seinen zahlreichen Beziehungen und Verbindungen.
Natürlich erwartete man, dass bestimmte Käufer ein Angebot abgeben würden, wenn sie die wenigen Schätze besichtigt hatten, aber darauf kam es uns nicht an.
Bill Conolly möglicherweise, denn er war finanziell besser gestellt als ich, aber auch darum ging es nicht wirklich. Dass wir die Ausstellung besuchten, dafür gab es einen bestimmten Grund. Es war hier ein goldenes Kreuz ausgestellt, und Bill hatte darauf gedrängt, dass ich es mir ansehen sollte.
Nun gab es zahlreiche goldene Kreuze auf der Welt, und ich hatte zunächst gefragt, warum es für mich so wichtig sein sollte.
Der Grund war in Bills Augen einfach. Es sollte ein Kreuz sein, ein Relikt aus alter Zeit, das seinem Besitzer Unheil brachte, und bei seinem letzten Besitzer war dies angeblich der Fall gewesen, denn niemand wusste so recht, wie er gestorben war.
Er war ein französischer Diplomat mit dem Namen Laurent Gabin gewesen. Ein Feingeist, der sich privat sehr für Kunst und Geschichte interessierte und sich im Laufe der Jahre eine große Sammlung zugelegt hatte.
Jetzt konnte sie besichtigt werden, und das wollten Bill und ich uns nicht entgehen lassen.
Die Ausstellung war nicht durch Plakate oder Anzeigen in Zeitungen öffentlich gemacht worden. Nur die Eingeweihten wussten Bescheid, und deshalb hielt sich der Besucheransturm auch in Grenzen.
Die Ausstellung fand in einem Bau statt, der den Charme der siebziger Jahre aus dem letzten Jahrhundert aufwies. Wozu das Haus früher gedient hatte, wusste ich nicht. Es war mir auch egal, denn mich interessierte nur die Ausstellung.
»Hier hat man mal Theater gespielt«, erklärte Bill, als wir über den grauen Fußboden schritten, auf dem unsere Schuhe nasse Flecken hinterließen. »Aber das ist lange her.«
»Und jetzt?«
»Kann man es mieten.«
»Aha.«
Es war zu sehen, wohin wir mussten. Nicht durch irgendwelche Hinweisschilder, sondern durch die beiden breitschultrigen Männer, die rechts und links neben einer Tür standen und Wache hielten. In ihren Ohren steckten die kleinen Lautsprecher. So waren sie mit einer Zentrale und anderen Kollegen verbunden.
Wer in die Ausstellung wollte, der musste eine Karte vorzeigen.
Bill hatte zwei besorgt. Er präsentierte sie. Die Dinger wurden geprüft, und auch wir wurden gemustert, wobei der rechte der beiden Männer mir zunickte.
»Guten Abend, Mr Sinclair.«
»Sie kennen mich?«
»Ich habe mal zur Metropolitan Police gehört und dann gekündigt. Die Bezahlung ist hier besser.«
»Jeder muss eben wissen, was er tut.«
»Sie sagen es, Sir.«
Wir konnten passieren. Man öffnete uns sogar die Tür, und nach dem ersten Schritt über die Schwelle fielen unsere Blicke auf das, was der Franzose in seinem Leben gesammelt hatte.
Es war kein großer Raum. Es waren auch nicht viele Dinge ausgestellt, aber was wir sahen, das ließ die Herzen der finanzkräftigen Sammler höher schlagen.
Es war vor allen Dingen sakrale Kunst vertreten. Alte Figuren aus Holz, die gerade wegen ihrer Schlichtheit überzeugten. Aber auch Abschriften und Holzschnitte. Bilder mit Motiven aus der Bibel, wobei auch der Schrecken des Jüngsten Gerichts nicht fehlte.
Kreuze waren ebenfalls zu sehen. In unterschiedlichen Größen hingen sie an den Wänden. Manche mit der Figur des Erlösers bestückt, andere wieder nur schlicht, wobei allein das Material schon einen großen Wert darstellte.
Es waren keine Preise angegeben. Bei manchen Exponaten reichten kurze Erklärungen, und alle Gegenstände waren Hunderte von Jahren alt. Es gab Becher und Tafelgeschirr zu bewundern, ein altes Kettenhemd
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