1444 - Saladins Leibwächter
sie Gewissheit haben wollte, was mit dem Mann geschehen war. Um alles genau herauszufinden, beugte sie den Kopf vor. Sie wollte spüren und horchen, ob noch Leben in ihm steckte.
Ja, er lebte.
Der Atem war zu vernehmen, als sie ihr Ohr in die Nähe des Mundes brachte. Zugleich sah sie das Blut in seinen dunkelroten Haaren.
Es stammte von einer Kopfwunde. Dass er sich diese nicht selbst beigebracht hatte, davon ging sie aus. Man hatte diesen Mann also niedergeschlagen. Aber ihr war keine zweite Person aufgefallen.
Etwas schnürte ihre Kehle zu. Es war wie eine Schlinge, die jemand fest zugezogen hatte.
Ihr kam in den Sinn, dass sie ganz allein in dieser Etage war. Die Stille gefiel ihr plötzlich nicht mehr. Wenig später wurde sie unterbrochen, als sie ein Geräusch hörte, das sie an ein kicherndes Hecheln erinnerte.
Glenda stand auf.
Sie drehte sich nach links.
Niemand war zu sehen.
Dann die Drehung nach rechts.
Und jetzt hatte sie Erfolg. Am Ende des Ganges malte sich eine glatzköpfige Gestalt ab.
Es war nicht der Mann, den John Sinclair gesehen hatte. Es gab noch einen, auf dessen Kopf nicht ein Haar wuchs.
Saladin!
***
Glenda wusste nun, wer im Hintergrund die Fäden zog. Sie wunderte sich selbst über die Ruhe, die sie erfasst hatte. Über Wochen hinweg hatte sie von Saladin weder etwas gehört noch gesehen, aber sie war immer darauf gefasst gewesen, ihn bald wieder zu Gesicht zu bekommen.
Aus diesem Grund war die Überraschung nicht so groß für sie.
Außerdem hatte sie mit John Sinclair das Thema bereits durchgesprochen.
Saladin sah aus wie immer. Dunkle Kleidung, das helle Gesicht, der runde Kopf. Fehlten nur die abstehenden Ohren, und er hätte glatt als Nosferatu durchgehen können.
»Keine Sorge, Glenda, der Mann vor deinen Füßen ist nicht tot. Es hätte auch anders kommen können, aber da bald Weihnachten ist, wollte ich ihm ein Geschenk machen.«
»Wie großzügig«, erwiderte sie spöttisch. »Aber du kannst mir auch ein Geschenk machen.«
»Welches?«
»Indem du für immer aus meinem Leben verschwindest.«
»Schön, schön.« Er schickte ihr ein kaltes Lachen entgegen. »Das kann ich dir leider nicht versprechen. Manche Wünsche bleiben eben unerfüllt.«
»Leider.«
»Reg dich nicht auf. Ich habe dich in den letzten Wochen in Ruhe gelassen.«
»Stimmt. Und ich hatte schon gedacht, dich losgeworden zu sein.«
»Wieder ein Irrtum.«
»Wolltest du dich nicht mit Mallmann zusammentun?«
»Das ist bereits geschehen.«
»Und?«
»Wir sind sehr weit fortgeschritten.«
»Genauer.«
In den kalten Augen des Hypnotiseurs leuchtete es auf. »Die Vampirwelt ist fast fertig.«
Glenda winkte ab. »Das war sie schon immer. Da sagst du mir nichts Neues, Saladin.«
»Es ist dennoch neu. Denn jetzt haben wir alle Störenfriede ausgeschaltet. Mallmann und ich konnten uns die Vampirwelt so aufbauen, wie wir es für richtig hielten. Wir haben sie belebt.« Er lachte über den eigenen Widerspruch. »Aber es stimmt. Wir haben sie belebt. Wir haben gebaut, und wir haben alles vernichtet, was einer neuen Ära im Weg stehen könnte. Jetzt sieht sie so aus, wie wir es uns vorgestellt haben.«
»Wie schön für euch.«
»Ja, du sagst es. Wir machen trotzdem weiter, denn wir brauchen neue Herausforderungen. Eine Welt ist nicht genug. Deshalb haben wir uns auf Spurensuche begeben.«
»Für wen?«
»Frag lieber für was. Es gibt Spuren, die uns weiterbringen. Zum einen ist es die Frau mit dem Namen Purdy Prentiss. Zum anderen mein besonderer Freund John Sinclair.«
»Aha. Und wie soll er euch weiterbringen?«
»Er wird uns den Weg zeigen. Denn was wir wollen, das kennt er bereits.«
»Ich weiß noch immer nicht, was du meinst.«
»Atlantis!«
Glenda hatte bisher locker reagiert. Damit war es jetzt vorbei. Sie spürte die Spannung in sich aufsteigen, zugleich mit einer Frage, auf die sie selbst keine Antwort fand.
Was wollte Saladin in Atlantis?
Glenda schüttelte den Kopf, was Saladin zu der Frage veranlasste:
»Du glaubst mir nicht?«
»Sorry, aber ich weiß nicht, was ich glauben soll oder nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, was du mit Atlantis zu tun hast. Der Kontinent ist langst versunken. Er ist Geschichte. Damit kannst du nichts anfangen. Vergiss es.«
»Haben Sinclair und der Chinese das auch vergessen?«
»Nein, aber das ist etwas anderes.«
Saladin winkte scharf ab. »Es ist nichts anderes, verflucht. Ich gebe dir Recht, wenn du sagst, dass Atlantis versunken ist.
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