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1448 - Der Kaiser von Karapon

Titel: 1448 - Der Kaiser von Karapon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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uneingeschränkt als positiv für das Volk der Kartanin einstufen sollte.
    Töten - mit einem Wort.
    Bei den Kartanin gab es uralte Legenden, die von solchen Fähigkeiten berichteten.
    Es schien, daß diese Begabungen - oder wie immer man es bezeichnen wollte - in diesem Volk erloschen waren. Man versuchte, das alte Wissen wiederzuerlangen, aber man schaffte es nicht, weil etwas fehlte, was man dringend dazu benötigte. Etwas, das es früher einmal gegeben hatte.
    Es ist nur eine Legende, sagte Sar-Teh in Gedanken zu sich selbst. Ein Märchen, an das sie sich klammern. Es ist ein altes Volk mit einer sehr zweifelhaften Vergangenheit. Sie haben sich diese Geschichten zurechtgezimmert, um etwas zu haben, woran sie sich festhalten können.
    Sie haben irgendein phantastisches Etwas erfunden - einen Stein der Weisen, der in den Wirren des Hundertjährigen Krieges verlorengegangen ist. Das gibt diesem Märchen den Anschein, daß mehr dahinterstecken könnte. Trotzdem ist es nur eine Geschichte. „Es war nicht während des Hundertjährigen Krieges", sagte Dao-Lin-H'ay sanft. „Es geschah schon viele Jahre früher. Und die Tränen der N'jala waren kein >Stein der Weisen< oder irgendein anderer phantastischer Unsinn, sondern Paratau, ein Psichogon, das es heutzutage nicht mehr gibt."
    Sar-Teh zuckte zusammen. Was war das? Ein Zufallstreffer? „Du kannst Del-Mion von mir ausrichten, daß er ein Trottel ist!" fuhr Dao-Lin-H'ay fort. „Thoy-P'ang wird ihn auf kleiner Flamme rösten, wenn er erfährt, daß dieser großartige Stratege Bentu-Karapau schmählich im Stich gelassen hat.
    Aber vielleicht wird der Kaiser gnädig mit ihm sein. Es könnte geschehen, daß Del-Mion Ruhm und Ehre erntet, weil er mich gefangen und an Thoy-P'ang ausgeliefert hat."
    Sar-Teh war aufgesprungen und starrte die Kartanin fassungslos an. Dann riß er sich zusammen. „Woher weißt du, daß Del-Mion an Bord ist?" herrschte er sie an.
    Dao-Lin-H'ay kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und blickte gelassen zu ihm auf."
    „Ich weiß es eben", sagte sie. „Und ich weiß auch, daß er in Schwierigkeiten steckt. Aber noch ist nicht alles verloren, noch kann er sich retten."
    Woher kann sie es erfahren haben?
    Aber auf diese Frage ging Dao-Lin-H'ay nicht ein. „Dazu ist es allerdings nötig, daß ich am Leben bleibe", fuhr sie statt dessen fort. „Und auch meinen Leuten darf nichts geschehen. Sage ihm das, Sar-Teh. Und sage ihm auch, daß ich es mir nicht länger gefallen lasse, daß man mich pausenlos mit dummen Fragen belästigt. Ich - und nur ich alleine - entscheide darüber, was Thoy-P'ang über mein Volk erfahren wird, denn nur er ist ein gleichwertiger Gesprächspartner für eine, die einst zum Kreise der Voica gehört hat."
    Dao-Lin-H'ay erhob sich in ihrer unnachahmlichen geschmeidigen Art und öffnete die Tür. „Bringe mich zurück in mein Quartier!" befahl sie der Wache, die draußen stand.
    Bevor Sar-Teh noch etwas sagen konnte, hatte der Karaponide an der Tür sich bereits umgedreht. Er ließ Dao-Lin-H'ay respektvoll passieren und folgte ihr dann.
    Die Waffe trug er im Gürtel. Er sah aus, als begleite er eine hochgestellte Persönlichkeit - als Ehrenwache. Auf keinen Fall wirkte er so, wie man sich jemanden vorstellte, der eine hilflose Gefangene vor sich her trieb.
    Sar-Teh kam erst wieder zur Besinnung, als Dao-Lin-H'ay bereits außer Sicht war.
    Er eilte zur Tür - er war sich plötzlich nicht mehr sicher, daß der Soldat die Kartanin auch tatsächlich in die Richtung führen würde, in der es zu den Lagerräumen ging.
    Sie waren gerade an der Ecke angelangt.
    Eine Sekunde später, und er hätte sie nicht mehr gesehen. Er atmete auf. Sie waren auf dem richtigen Weg.
    In diesem Augenblick drehte Dao-Lin-H'ay sich um und lächelte. Es war ein spöttisches, fast vertrauliches Lächeln. Sie zwinkerte ihm sogar zu.
    Sar-Teh zuckte zurück.
    Sie hat es gewußt, dachte er erschrocken.
    Sie hat gemerkt, daß ich sie angesehen habe, und sie hat gewußt, was ich dachte.
    Vielleicht war es doch mehr als nur eine Legende. Vielleicht hatten die Voica tatsächlich all die Fähigkeiten besessen, die man ihnen andichtete. Und vielleicht war Dao-Lin-H'ay - als eine von ihnen, die auf unbegreifliche Weise in diese Zeit gelangt war - wirklich im Besitz all dieser Geheimnisse.
    Sehr gefährlicher, unheilvoller Geheimnisse, wenn man den alten Geschichten glauben durfte.
    Sar-Teh riß sich zusammen und ging, um Del-Mion Bericht zu erstatten.

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