145 - Jagd auf den Zeitkristall
vor?
Coco pendelte gewissermaßen zwischen den Welten. Sie gehörte nicht mehr der Schwarzen Familie an, aber sie besaß noch deren Potential, die Spezialität der Zamis-Familie, sie wußte über vieles Bescheid… mehrfach war sie schon aufgefordert worden, sich endgültig zu entscheiden. Vielleicht wollte man sie töten, um sie für ihre „Desertion" zu bestrafen. Vielleicht wollte man sie aber auch wieder zu einer „richtigen" Dämonin machen. Entsprechende Versuche hatte es schon einige Male gegeben. Auch Skarabäus Toth, der damalige Schiedsrichter der Schwarzen Familie, hatte ihr ein solches Angebot unterbreitet. Aber Toth, der sich hatte verjüngen lassen, um als Baphomet den Körper von Cocos Sohn Martin zu übernehmen, existierte nicht mehr.
Allenfalls noch sein Erbe, sein unseliger Geist… Die Vampirin Rebecca konnte inzwischen ein Liedchen davon singen.
Plötzlich bildete sich vor dem Fenster ein Gesicht. Grau und knochig. Es war eine Dämonin, wahrscheinlich Micaela, dachte Coco. Sie erkannte sie wieder. Micaela hatte auch zu jenen gehört, die auf der Toteninsel dabeigewesen waren und überlebt hatten.
„Ich sehe, du bist wach, Zamis-Hexe", sagte Micaela. „Angelina hat uns einen unschätzbaren Gefallen getan, als sie dich gefangennahm. Du kannst uns helfen."
„Ich denke nicht daran", preßte Coco hervor.
„Du hast eine einmalige Chance, dich zu rehabilitieren", sagte Micaela. „Du wirst uns den Zeitkristall beschaffen."
Coco lachte spöttisch auf.
„Träumt ihr immer noch davon?" fragte sie. „Der Zeitkristall dürfte mitsamt seinem Hersteller erledigt sein." Wilde Gedanken durchzuckten sie. Hatte Dorian es vielleicht doch geschafft, Condano den Kristall rechtzeitig abzujagen? Einiges sprach dafür, auch wenn die Rothaarige aus dem Hinterhof gekommen war. Coco wußte nicht, was sich da alles abgespielt hatte. Sie konnte nur Vermutungen anstellen.
„Es gibt untrügliche Anzeichen dafür, daß Dorian Hunter bald wieder in die Gegenwart kommt", sagte Micaela Zardoni. „Du wirst ihm den Kristall abnehmen und an uns ausliefern. Er wird nicht damit rechnen, daß du die Fronten gewechselt hast."
„Und wovon träumst du nachts?" wollte Coco spöttisch wissen.
„Oh, du wirst es tun", sagte Micaela. „Ich werde dir auch verraten, warum."
Coco winkte ab.
Aber die Dämonin sprach unbeirrt weiter.
„Du kennst ein Mädchen, das Gaby Reuter heißt, nicht wahr?"
Coco nickte überrascht.
„Gaby Reuter ist unterwegs. Sie wird Dorian Hunter nach seiner Rückkehr finden und töten. Wenn sie versagt, stirbt sie selbst auf äußerst qualvolle Weise. Wir haben sie entsprechend behandelt. Einer von beiden wird also auf jeden Fall sterben. Wen es trifft, ist uns völlig egal."
„Und wie kommen der Zeitkristall und ich in die Geschichte?" fragte Coco böse.
Das Gesicht der Dämonin im Fenster verzog sich. Micaela lachte spöttisch.
„Du hast eine Chance, beide zu retten. Das Mädchen ist konditioniert. Wenn du uns den Kristall übergibst und nur dann -, wird Rico die Konditionierung löschen, und beide können ein normales Leben weiterführen. Glaube aber nicht, daß du uns hintergehen kannst: Angelina kann Kristalle voneinander unterscheiden. Sie wird feststellen, welcher echt ist."
Coco preßte die Lippen zusammen.
„Dorian wird sich auch gegen einen Überraschungsangriff zu wehren wissen", sagte sie.
„Dann stirbt das Mädchen als Versagerin, aber auf eine Weise, die selbst du dir nicht vorstellen kannst. Möchtest du ihre Schreie erleben?"
Coco schwieg. Das sah nach einer Zwickmühle aus, in die sie geraten war. Der Kristall gegen ein Menschenleben… und wirklich keine Möglichkeit, die Zardonis auszutricksen? Es mußte diese Möglichkeit geben.
Aber wie sah sie aus?
Abwarten, dachte Coco.
„Du sagtest: nach seiner Rückkehr… Dorian ist also in der Vergangenheit? Und Condano?"
„Beide. Condano scheiterte. Er war ein Narr. Nichts hat sich verändert, aber alles wird anders, wenn wir den Kristall haben. Und für dich wäre es eine einmalige Chance… was wirst du tun, wenn Asmodi wieder lebt und Dorian Hunter tot ist? Du kannst nur gewinnen, wenn du uns hilfst. Asmodi könnte dir sein Wohlwollen schenken, deine Familie könnte wieder leben… Überlege es dir gut, aber nicht zu lange!"
„Wie lange habe ich Zeit?" stieß Coco hervor.
Micaela lachte.
„Das liegt bei dir! Du hast alle Zeit der Welt, aber es kann schon in der nächsten Sekunde zu spät für eine
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