145 - Jagd auf den Zeitkristall
Mauer. Condano I tat es ihm gleich. Der Kreuzdolch fiel zu Boden.
Dorian hob ihn auf. Die beiden Condanos versuchten sich zu erheben. Sie waren schwer angeschlagen.
Sie sind magisch miteinander gekoppelt, seit sie in der Gegenwart sind,
erkannte Dorian. Er überlegte, was er tun konnte. Mit beiden konnte er sich nicht belasten.
Er beugte sich über sie, schlug sie bewußtlos und fesselte sie mit ihren eigenen Gürteln. Die angrenzenden Häuser schienen unbewohnt, es war also unwahrscheinlich, daß sie sofort gefunden wurden. Dorian riß Fetzen aus ihrer Kleidung und knebelte sie damit. Dann nahm er seine Ausrüstung wieder an sich, die Condano II in seinen unergründlich tiefen Taschen stecken hatte. Die Pistole, das Weihwasserfläschchen, das Pulver…
Er sah auf seine Armbanduhr. Die aber hatte den Zeitsprung nicht verkraftet. Er versuchte nach dem Stand der Sonne zu gehen, aber irgendwie hatte er das Orientierungsvermögen ebenso verloren wie seinen Zeitsinn. Er wußte also nicht, wie lange er effektiv in der Vergangenheit gewesen war. Die Dämmerung hatte noch nicht eingesetzt. Wenn er also Glück hatte, waren in der Gegenwart nur ein paar Minuten vergangen. Aber es konnten durchaus zwei bis drei Stunden gewesen sein.
Wenn es noch derselbe Tag war…
Wenn, dann bestand die Möglichkeit, daß Coco noch in der Nähe war. Andernfalls würden sie sich im Hotel treffen, da sie keinen anderen Treffpunkt ausgemacht hatten. Schulterzuckend verließ Dorian den Hinterhof. Er mußte Coco herholen. Nur zusammen konnten sie die beiden Magier von hier wegbringen.
Immerhin - er hatte den Zeitkristall.
Plötzlich sah er die magischen Zeichen im Sand. Hier hatte Condano II seine Beschwörung gemacht. Dorian prägte sich die Muster genau ein. Vielleicht konnte er sie selbst anwenden, wenn er den Kristall benutzte.
Und er würde ihn benutzen müssen. Er mußte nach Venedig, zur Toteninsel! Er mußte versuchen, etwas an der Erweckung Condanos zu drehen. Er wußte selbst nicht, wie er auf diesen Gedanken kam, aber er war plötzlich da. Es war eine Möglichkeit, vieles ungeschehen zu machen! Vielleicht konnte er nachträglich verhindern, daß Condano in die Vergangenheit ging…?
„Hoffentlich", murmelte er, „bringe ich damit nicht noch mehr Chaos in das Geschehen. Im Grunde reicht's schon, daß hier zwei Condanos herumliegen. Zwei Dorians wären unerträglich-"
Aber es war irgendwie ein Zwang. Er mußte nach Venedig in die Vergangenheit!
Langsam setzte er sich in Bewegung.
Micaela kreischte. Ihr Gesicht brannte in blauweißem magischen Feuer. Die Dämonin war genau in das aktivierte Zeichen hineingeraten. Das Gesicht zerfiel. Sie schlug um sich, während der Zerfall auf ihren ganzen Körper überging. Und noch während sie starb, ging die vernichtende Magie von ihr auf andere Bannzeichen über, die bisher abgeschirmt und versteckt gewesen waren, und die nun aktiviert wurden. Es war wie ein Schneeballsystem. Der Funke sprang von Raum zu Raum, von Zeichen zu Zeichen.
„Was, bei Satans Ziegengehörn, ist das?" schrie Rico. Wie Hammerschläge traf es ihn und die anderen. Er sprang auf, stürmte zum Fenster und warf sich hinaus. Aber auch dieses Fenster war mit einem Zeichen versehen gewesen. Rico erkannte es zu spät und traf damit zusammen. Augenblicke später wand er sich draußen im Gras unter rasenden Schmerzen. Flammen tanzten über seinen Körper und saugten ihm Kraft ab. Die nicht ausgeheilte Weihwasserwunde tat ein Übriges. Rico Zardoni war der nächste, der starb. Kaltes Feuer jagte durch die Räume der Dämonenvilla, trieb Ennio und Tonio hinaus. Angelina hielt es noch am längsten aus. Sie versuchte, einige der Zeichen zu löschen, aber zu schnell entzog ihr die Weiße Magie die Kraft. Auch die rothaarige Teufelin mußte das Haus verlassen.
Sie waren geschwächt, alle drei Überlebenden. Draußen sahen sie sich ratlos an. „Wie war das möglich?" keuchte Tonio. „Weißmagische Zeichen, und das auch noch überall im Haus? Das begreife ich nicht!"
„Jemand muß in unserer Abwesenheit die Villa präpariert haben", sagte Angelina.
„Unmöglich", widersprach Tonio. „Die Schirmglocke…"
Angelina winkte ab. „Findest du eine bessere Lösung? Vielleicht haben andere eine Möglichkeit gefunden, die Abschirmung zu durchdringen. Diese abtrünnige Hexe muß dahinterstecken."
„Die Zamis?"
Angelina nickte. „Wir sollten sie töten, ganz gleich, was Rico und Micaela mit ihr vorhatten. Nur wenn sie tot
Weitere Kostenlose Bücher