1450 - Insel der Vampire
Sache kommen«, sagte ich.
»Zur Sache?«
»Ja, wozu sonst? Sie sind doch bestimmt nicht nur hergekommen, um mir diese Bissstellen zu zeigen.«
»Das stimmt.«
»Wo haben Sie die Blutsauger getroffen? Wie kam es überhaupt zu einer derartigen Konfrontation?«
»Ich habe Glück gehabt«, flüsterte er. »Verdammt viel Glück, das kann ich Ihnen sagen.«
»Ja, das ist alles gut und schön. Aber mit fehlen die Fakten. Wo ist das passiert?«
»Auf einer Insel, Mr Sinclair.«
»Ach.«
»Sie haben richtig gehört. Es ist eine kleine Insel, auf der mich die Vampire erwischt haben. Oder sie, die Blutsaugerin, wenn ich das so sagen darf.«
»Dürfen Sie, Mr Holm. Sie müssen nur bei der Wahrheit bleiben. Wo liegt das Eiland?«
»Im Mittelmeer.«
»Das ist groß.«
»Nicht weit von der türkischen Südküste entfernt. Auch nicht weit von der syrischen Grenze. Die Insel ist nur ein Fleck im Meer, nichts weiter sonst. Aber sie ist trotzdem wichtig.«
»Strategisch?«
»Sie sagen es.«
Wenn mir ein Licht aufging, dann war es zunächst nur ein sehr kleines. Aber es leuchtete in eine bestimmte Richtung, und diese Richtung wies auf etwas hin, das sich in einer Grauzone abspielte. In einem Gebiet also, in dem die Geheimdienste aktiv waren. Gerade in unruhigen Zeiten wie den heutigen war es ungemein wichtig, an geheime Informationen zu gelangen. Das Krisengebiet Nahost glich einem Pulverfass. Jede Großmacht hatte dort in der Nähe ihre Agenten verteilt. Palästina, Syrien, der Irak, der Iran, das waren alles Länder, die unter besonderer Beobachtung standen. Offiziell und inoffiziell.
Holm musste an meinem Blick bemerkt haben, dass mir irgendetwas an der Geschichte aufstieß. Auf seinen Lippen lag ein wissendes Lächeln, und ich sah in seinen Augen einen gewissen Spott.
»Ich kann mir vorstellen, woran Sie denken, Mr Sinclair.«
»Liege ich da falsch?«
»Wahrscheinlich nicht.«
»Die Insel ist also ein Stützpunkt.«
»Sie liegt in einem Niemandsland. Man hat sich kaum um sie gekümmert. Da muss es ja Menschen geben, die sie mal besetzen. Besonders in einer Zeit wie dieser.«
»Meinen Sie?«
»Der Nahe Osten ist ein Vulkan, der kurz vor dem Ausbruch steht. Denken Sie nur an das Öl, das so verdammt wichtig ist. Denken Sie an die Drohungen der Mullahs. Die kann man nicht auf die leichte Schulter nehmen.«
»Verstehe. Dann halten Sie also die Insel besetzt. Gewissermaßen als Vorposten.«
»Wenn Sie so wollen.«
»Und Sie arbeiten für…«
Jeff Holm winkte ab. »Für unser Land. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Es geht Sie auch nichts an, solange ich von oben keine anderen Weisungen habe. Aber der Kontakt zu den oberen Stellen ist abgebrochen. Das ist meine Schuld. Ich habe mich vom Acker gemacht, bevor es zu spät ist.« Er schnappte jetzt nach Luft. Seine Stimme klang bei den nächsten Worten rauer. »Und ich weiß auch nicht, ob es mich erwischt hat oder nicht. Diese Insel ist die Hölle. Ich weiß jetzt, warum sie von den Menschen gemieden wird und man sie nicht besetzt hat. Es gibt da eine tiefe Angst vor dem Grauen.«
»Den Vampiren also?«
»Genau das ist es.«
»Und was war bei Ihnen?«
Er lachte bitter auf und deutete auf seinen Hals. »Sie haben mich nicht richtig erwischt. Hören Sie zu. Ich weiß nicht mehr, wer ich bin. Wie soll ich mich fühlen? Als Vampir? Als Mensch? Oder als ein Zwischending?«
»Das müssen Sie selbst wissen. Ich bin nicht Sie. Aber ich kann Sie fragen, ob Sie eine Sucht nach menschlichem Blut in sich spüren.«
Jeff Holm lehnte sich wieder zurück. Er bewegte seine Lippen und produzierte dabei schmatzende Laute. »Das weiß ich selbst nicht.«
»Was genau ist geschehen, Mr Holm? Erzählen Sie es mir. Da sind Einzelheiten schon wichtig.«
»Das will ich auch. Wir sind angegriffen worden.«
»Wer ist wir?«
»Ich und mein Kollege Karim Onofru.«
»Araber?«
»Ägypter, aber auch Engländer in gewisser Hinsicht. Wir arbeiten für die gleiche Firma.«
»Okay, weiter.«
»Es war in der Nacht. Da kam sie…«
»Wer ist sie?«
»Die Frau mit den schwarzen Haaren. Wir haben sie schon zuvor kennen gelernt. Sie heißt Rosanna, und sie lebt auf dieser verdammten Insel. Warum und wieso sie das tut, das wusste ich nicht. Bis ich ihre andere Seite kennen lernte. Sie hat uns überfallen. Wir hatten keine Chance. Erst war Karim an der Reihe, dann sollte ich daran glauben. Aber ich hatte Glück. Sie ist durch Karims Blut wohl schon satt gewesen. Ich wehrte mich, als sie
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