1450 - Insel der Vampire
auch mich angriff, und sie hatte wohl keine Lust mehr, länger an meinem Hals zu hängen.«
»Aber Sie wurden gebissen?«
»Ja, das schon. Und es war ein verdammt beschissenes Gefühl, kann ich Ihnen sagen.« Dann verzerrte sich sein Mund, und die nächsten Worte stieß er zischend hervor. »Ich weiß nicht mehr genau, wer ich bin. Aber ich habe menschlich gedacht.« Er nickte und wiederholte seine letzten Worte.
»Wie wirkte sich das aus?«
Jeff entspannte sich und lachte sogar. »Ich kenne doch die Regeln. Ich weiß genau, dass man, wenn es zu brenzlig wird, ein Gebiet verlassen muss. Und nichts anderes habe ich getan. Ich bin von der verdammten Insel abgehauen.«
»Einfach so?«, wunderte ich mich.
Holm schüttelte den Kopf. »Nicht einfach so. Sie glauben gar nicht, wie schwierig es gewesen ist. Ich hatte ja kein Boot, weil wir bei Nacht und Nebel abgesetzt wurden. Aber ich habe unwahrscheinliches Glück gehabt, denn ich sah in der Nähe ein Fischerboot. Und es befand sich noch eine Signalpistole bei meiner Ausrüstung. Sie habe ich abgeschossen. Das Zeichen wurde tatsächlich gesehen. Als ich bemerkte, dass der Fischer beidrehte, habe ich mich einfach ins Wasser gestürzt und bin dem Boot entgegen geschwommen. Es klappte, auch wenn ich mehr tot als lebendig war, als man mich an Bord zog.«
»Da haben Sie Glück gehabt.«
»Das können Sie laut sagen. Ich hatte eine gute Ausbildung. Die hat sich bezahlt gemacht.«
»Wie ging es weiter?«
»Ich hatte Geld«, sagte er leise, »und in gewissen Ländern kommt man eben nicht ohne Bakschisch aus. Das war auch in meinem Fall so. Ich konnte die türkische Küste erreichen und habe mich durchgeschlagen. Außerdem kannte ich in der Türkei gewisse Adressen, an die ich mich wenden musste. Dort hat man für einen sicheren Transport in die Heimat gesorgt. Allerdings habe ich meine Dienststelle umgangen, was nur mit Tricks möglich war. Ja, und jetzt sitze ich hier bei Ihnen in der Wohnung, Mr Sinclair. Bei einem Mann, der meine Geschichte glaubt und mich nicht auslacht.«
Das wollte ich nun wirklich nicht tun. Ich wusste jetzt Bescheid, und ich nahm ihm die Geschichte auch ab. Okay, sie klang unwahrscheinlich. Allerdings war ich es gewohnt, mit den unwahrscheinlichsten Dingen konfrontiert zu werden. Auch wenn man darüber oft nur den Kopf schüttelte, sie hatten sich bisher alle als Wahrheit herausgestellt, und auch hier glaubte ich nicht an ein Märchen.
Jeff Holm schaute mich starr an. Er bewegte sich jetzt nicht. Ich behielt meine Gedanken für mich, denn ich war noch immer nicht sicher, ob es sich bei diesem Mann um einen normalen Menschen handelte oder um einen Vampir. Genau da wollte ich mir Klarheit verschaffen.
Zwar hatte ich seine Zähne hin und wieder gesehen, aber es waren mir keine spitzen Hauer aufgefallen wie das bei Vampiren der Fall war. Es bestand also die große Chance, dass noch ein Mensch vor mir saß.
Nur war ich mir nicht hundertprozentig sicher. Deshalb musste ich einen Beweis haben.
Ich wollte nicht mit der Tür ins Haus fallen, sondern kam mir mehr vor wie ein Psychiater, der seinen Patienten befragt.
»Wie fühlen Sie sich jetzt, Jeff?«
Er schüttelte den Kopf. »Wieso?«
»Bitte, ich hätte gern eine Antwort.«
»Ich bin abgeschlafft. Schließlich habe ich einen verdammt harten Turn hinter mir.«
»Das kann ich gut verstehen. Aber ich meine eine andere Sache. Fühlen Sie sich der menschlichen Seite mehr verbunden oder einer anderen? Sie wissen schon, was ich meine.«
Er starrte mich an. Sein Blick wurde kalt. »Denken Sie, dass es mich schon erwischt hat und ich ein Blutsauger bin?«
»Hätte ich Sie dann gefragt?«
»Man kann nie wissen.«
»Ich will von Ihnen eine korrekte Antwort.«
Er versteifte sich. »Wie soll die denn aussehen?«
»Es gibt nur zwei Möglichkeiten.«
»Und welche?«
»Sie verspüren also keine Lust darauf, das Blut anderer Menschen zu trinken? In diesem Fall mein Blut, zum Beispiel. Sie bekommen keinen Appetit, wenn Sie mich anschauen?«
Er riss seinen Mund auf, um mir den nötigen Beweis zu liefern.
»Sehen Sie hier zwei lange spitze Zähne?«
»Nein.«
»Na also.«
»Dann sind Sie ein Mensch?«
»Das sehe ich so.«
Ich lächelte, um die Lage zu entspannen. Dann sagte ich: »Sie haben sich seit Ihrer Flucht von dieser Insel nicht verändert? Sie sehen noch immer so aus wie auf diesem Eiland, das Sie mit viel Glück verlassen konnten?«
»Ja, und das habe ich bewusst getan. Ich wollte, dass
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