1453 - Die ruhelosen Engel
an den Dekan, Professor Godwin Hilton. Es kam noch hinzu, dass damals sechs Studenten verschwunden waren und nicht nur zwei. So musste man damit rechnen, dass auch die anderen beiden Paare irgendwann erschienen. Sicherlich auch als Engel.
Bei dieser Schlussfolgerung hätte er beinahe aufgelacht, weil er es noch immer nicht richtig begriff. Das war alles zu weit von der Realität entfernt.
Der Hausmeister war ein pflichtbewusster Mensch. Er hatte das Ende seiner Runde noch nicht ganz erreicht. Er würde den Weg nehmen, den auch das Paar gegangen war. Durch die Tür hinein in das Büro und von dort wieder in den Flur.
Braddock ging nicht mehr so locker wie zuvor. Die Spannung in seinem Innern baute sich einfach nicht ab. Seine Augen bewegten sich, hin und her. Er suchte nach dem Paar, aber er bekam es nicht mehr zu Gesicht. Lizzy und Frank waren verschwunden. Sie hielten sich auch nicht in dem kleinen Büro versteckt.
Wenig später stand er in dem leeren und düsteren Flur und bekam eine dicke Gänsehaut. So kalt und fremd kam ihm diese bekannte Welt vor, in der er jetzt fror.
Nein, er sah nichts mehr innerhalb des Gangs mit den grauen kahlen Steinwänden. Es war auch kein Laut zu hören. Der einzige Mensch, der sich hier aufhielt, war er.
Langsam bewegte er sich auf den Ausgang zu. Er freute sich darauf, das Gebäude verlassen zu können, in dem er sich immer so wohl gefühlt hatte.
Er zog die schwere Tür auf und warf einen ersten Blick nach draußen in den Park.
Er erstarrte mitten in der Bewegung, obwohl das, was er da sah, für ihn eigentlich keine Überraschung mehr hätte sein dürfen. Sie war es trotzdem, denn jetzt sah er drei Paare…
***
Sie standen beisammen. Nicht starr in Reih und Glied wie Soldaten, sondern in einer lockeren Gruppe. Drei Frauen und drei Männer, die ihre Köpfe zum Eingang hin gedreht hatten und die Tür anschauten.
Es war dunkel draußen. Nur nicht im Nahbereich des Eingangs.
Da standen zwei Laternen, die ihren Schein verbreiteten und damit auch die drei Paare aus der Dunkelheit rissen.
Sie taten nichts, um sich dem Eingang zu nähern. Sie warteten ab und schauten nur. Wobei das Schauen bei ihnen etwas Besonderes war, denn in der Dunkelheit trat das Rot ihrer Augen besonders hervor. Jedes Paar war davon betroffen, und die Augen sahen aus, als würden darin blutige Laternen glühen.
Die drei Paare warteten.
Auf wen?, fragte sich Braddock.
Nicht auf ihn. Und wenn doch, dann wollte er ihnen den Gefallen nicht tun und auf sie zugehen. Drei Paare, sechs Menschen oder Engel. Sie waren wieder da. Daran gab es nichts zu rütteln. Ob Menschen oder Engel, das war nicht mehr wichtig. Er sah sie, und sie sahen ihn, das stellte er auch fest.
Nur taten sie nichts. Sie warteten einfach ab. Sie blieben stumm und erinnerten ihn an die berühmten Salzsäulen.
Freddy Braddock wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Bevor er sich entscheiden konnte, reagierte die andere Seite.
Zuerst drehte sich Frank Law um. Er stand in der vorderen Reihe.
Kaum hatte er seine Drehung vollendet, bewegten sich auch die anderen Gestalten.
Sie sagten dabei nichts. Sie taten auch nichts. Sie wandten sich nur um und gingen.
Freddy Braddock starrte ihnen nach. Er sah sie nur für kurze Zeit, dann waren sie im Dunkel des Parks verschwunden. Geisterhaft, eben wie Engel.
Braddock aber zitterten nicht nur die Knie…
***
Ich leerte meine Kaffeetasse mit einem letzten Schluck und schaute Glenda Perkins, unsere Assistentin, danach an. Dabei wartete ich auf ihre Reaktion, denn ich hatte ihr von unserem Besuch bei der Voodoo-Mutter erzählt.
»So ist das also«, sagte sie. »Es geht um sechs verschwundene Studenten, die plötzlich wieder aufgetaucht sind, und das nicht als normale Menschen.«
»Das muss man annehmen, wenn wir Erzulie glauben wollen.«
Da Suko auch in der Nähe war, fragte Glenda: »Und ihr glaubt dieser Person tatsächlich?«
»Ja, natürlich. Sie klang verdammt überzeugend. Außerdem haben wir sie erlebt, als sie sich bei den Conollys auf unsere Seite gestellt hat. Warum sollte sie ihre Überzeugung geändert haben?«
»Frag mich nicht, John, ich kenne sie nicht. Du musst damit zurechtkommen.«
»Das befürchte ich auch.«
»Wieso befürchten?«
»Weil wir uns auf die Suche machen müssen«, sagte Suko.
»Habt ihr denn eine Idee, wo sie sich aufhalten könnten?«
»Nein, nicht genau«, erwiderte ich. »Aber es waren Studenten. Sie haben hier an der Uni studiert, und Erzulie und
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