1453 - Die ruhelosen Engel
auch wir denken, dass wir dort ansetzen sollten.«
»Was ist denn mit Johnny?«
»Er wird natürlich mit einer ganz besonderen Motivation zu seinen Vorlesungen gehen und sich auch um das kümmern, was er von der Voodoo-Mutter gehört hat.«
Glenda hob die Schultern. »Ich werde mich mit Ratschlägen zurückhalten. Noch ist das für mich alles nicht außergewöhnlich, John. Ich kann mich daran erinnern, dass es immer wieder Menschen gibt, die verschwinden und plötzlich wieder auftauchen. Einfach so. Sie waren lange weg, und dann sind sie wieder da.«
Ich musste Glenda in diesem Punkt Recht geben, doch da gab es etwas, was Suko und mich störte.
»Die Sache ist die, Glenda. Wenn es nur eine Person gewesen wäre, würde ich in deine Richtung tendieren, aber hier sind es sechs Studenten gewesen, die verschwanden. Das ist etwas ganz anderes. Es ist eine Tatsache, dass sie gemeinsam einen bestimmten Weg verfolgten und ihn auch eingehalten haben. Jetzt sind sie zurück. Was in der Zwischenzeit mit ihnen passiert ist, das weiß ich nicht. Das weiß wohl niemand, außer ihnen selbst.«
»Und diese Mutter?«, fragte Glenda.
»Sie hat uns nur gewarnt. Und sie hat davon gesprochen, dass die Studenten nicht in unserer normalen Welt geblieben sind. Sie haben sich woanders aufgehalten und sind sicherlich durch diese fremde Umgebung geprägt worden. So muss man das sehen.«
Glenda nickte, aber ob sie überzeugt war, ließ sich nicht feststellen.
Doch sie sagte: »Wer in einem Job arbeitet wie wir, der muss das so sehen. Ich würde ja auch nicht anders handeln.«
»Und wir müssen weg von der Theorie«, meldete sich Suko. »Es wäre schon viel damit gewonnen, wenn wir einen Zeugen hätten. Dann könnten wir irgendwo einhaken.«
Glenda lächelte. »Seid ihr sicher, dass es keinen Zeugen gibt?«
»Die Voodoo-Mutter war es nicht«, sagte ich.
»Aber es gibt andere Menschen.«
Ich winkte ab. »Theorie, Glenda.«
»Gut, dann sag mir, wie die Praxis aussieht. Was habt ihr vor?«
»Recherchieren«, brummelte ich.
Glenda zog die Nase kraus. »Das ist mir klar. Aber wie wollt ihr vorgehen?«
»Indem ich jemanden anrufe und mich mit ihm verabrede.«
»Und wer ist das?«
»Wir haben bereits recherchiert«, sagte Suko. »Es ist Professor Godwin Hilton, Dekan der Uni. Wenn uns jemand mehr über das Verschwinden der sechs Studenten sagen kann, dann er.«
Glenda hob beide Hände. »Ha, falls es mehr darüber zu sagen gibt.«
»Das finden wir heraus«, sagte ich, schlug auf den Schreibtisch und stand auf.
***
Wer in London studiert, hat das Glück, praktisch in der City bleiben zu können. Die Gebäude liegen im Stadtteil Bloomsbury und dabei dicht beisammen. Ein paar Schritte entfernt befindet sich das British Museum, ein Magnet für Touristen. Deshalb ist es auch dort nie leer.
Aber der Bereich der Uni liegt in einem kleinen Park, in dem sich fast nur die Studenten aufhalten.
Wir wollten sicher sein, dass wir den Weg nicht umsonst zurücklegten, und hatten angerufen.
Der Dekan war für uns zu sprechen, hatte aber zugleich erklärt, dass seine Zeit begrenzt war. Natürlich hatte er wissen wollen, um was es bei unserem Besuch ging, aber ich hatte ihm nur Andeutungen gemacht.
So waren wir in den Wagen gestiegen und zur Uni gefahren.
Die einzelnen Fakultäten sind in mehreren Bauten unterbracht.
Wer hier studiert, der atmet ebenfalls Geschichte ein wie in Oxford, Cambridge oder St. Andrews.
Wir fanden einen Parkplatz dort, wo auch die Professoren ihre Fahrzeuge abstellten. Umgeben war der Hof von noch kahlen Blumenbeeten und Grasflächen.
In einen der Hörsäle wollten wir nicht, sondern in das Verwaltungsgebäude. Auch wenn es schon einige Jahre zurücklag, hier war mir noch alles aus meiner Studentenzeit bekannt. So etwas wie Wehmut überkam mich, als ich an diese Zeit dachte, in der ich auch meinen Freund Bill Conolly kennen gelernt hatte.
Das lag lange zurück, aber in einem Land, das sehr auf Tradition achtete, veränderte sich nicht viel, was die alten Bauwerke anging.
Die University of London steht wie ein Fels in der Brandung. Das würde sich auch in den folgenden Jahrzehnten nicht ändern.
Das Semester lief, die Studenten hockten in den Hörsälen oder auch in der Mensa, denn nur wenige zeigten sich außerhalb. Es war einfach nicht das richtige Wetter, um sich im Freien aufzuhalten. Da musste man noch einige Wochen warten.
Nachdem wir eine breite Tür aufgedrückt hatten, gerieten wir in einen
Weitere Kostenlose Bücher