1454 - Solo für den Satan
der Bühne hinweg, bis sie das mittlere der drei Mikrofone erreicht hatte. Ich ging davon aus, dass sie ihre Fangruppen begrüßen wollte, doch dazu kam sie gar nicht.
Die Masse der Zuschauer hatte sich plötzlich verdoppelt. Das zumindest war aus dem vielkehligen Geschrei zu vernehmen, das in den Himmel über dem alten Totenacker hallte.
Es gab noch ein Echo, bevor sich die Laute verloren. Ricarda Hades genoss den Beifall und das Schreien, aber auch die gellenden Pfiffe.
Ich sah sie zum ersten Mal. Sie trug für einen Auftritt das richtige Outfit. Rotes Leder, ein Overall, dessen Reißverschluss vom Hals her allerdings recht weit geöffnet war, sodass sie ihre prallen Brüste präsentieren konnte. Eine wilde, gefärbte Haarmähne umtanzte ihren Kopf. Die Augen schienen im Licht der Scheinwerfer Funken zu sprühen, und ihre Verbeugungen gestaltete sie mit wild zuckenden Bewegungen.
Diese Person wusste, wie man sich verkaufte. Alle Augen waren auf sie gerichtet. Die Spannung lag auf den Gesichtern der Fans, und so manche hatten eine Gänsehaut.
Die Tochter des Teufels hatte ihre Gitarre mitgebracht. Sie schwang bei jeder Verbeugung mit. Nach der fünften allerdings stockte sie und riss ihre Arme nebst Instrument in die Höhe.
»Danke, ihr Lieben!«, schrie sie in das Mikrofon. »Toll, dass ihr gekommen seid. Ob Hitze oder Kälte, einen wahren Fan kann nichts abhalten. Aber ich bin nicht allein, denn ich werde von zwei lieben Freundinnen unterstützt. Zum einen ist es Cynthia Lopez…« Während sie den Namen rief, glitt sie zur Seite, drehte sich geschmeidig um und streckte dabei ihren freien Arm aus, um in den hinteren Teil der Bühne zu zeigen.
Für einen Moment bewegte sich dort der Vorhang, sodass eine Öffnung entstand.
Aus ihr huschte die dunkelhaarige Cynthia hervor. Sie trug den gleichen Anzug wie Ricarda. Nur nicht in roter, sondern in weißer Farbe.
Auch sie schrie in das Mikrofon, um danach den Beifall zu genießen. Er peitschte sie zu wilden Sprüngen hoch, und auch sie wirbelte ihren Kopf herum und ließ die dunkle Mähne fliegen.
»Doppelte Power!«, schrie Cynthia ins Mikro. Dabei strichen ihre Finger über die Saiten der Gitarre, die natürlich eine E-Gitarre war und plötzlich ein Jaulen erklingen ließ, als wäre ein Hund auf den Schwanz getreten worden.
Aus dem Publikum wurde plötzlich ein Name geschrien. Die Fans kannten sich aus. Sie wollten Kylie sehen. Dabei hatten sie ihre Arme erhoben und klatschten rhythmisch in die Hände.
Sie wollten dieses blond gefärbte Mannweib sehen, aber Ricarda beruhigte sie durch entsprechende Handbewegungen.
»Wartet ab, Freunde! Sie wird noch kommen. Die ersten Songs starten wir ohne sie.«
Ich hatte zugehört und jedes Wort verstanden. Jetzt stellte ich mir die Frage, ob ein gewisses Misstrauen angebracht war, weil die dritte Person fehlte.
Hatte das etwas zu bedeuten? Bestimmt gab es einen Grund, und ich musste plötzlich wieder an Glenda Perkins denken. Zugleich wusste ich, dass Suko unterwegs war, um sie zu finden. Das beruhigte mich wieder.
Konzentrieren war hier kaum möglich, denn ich hörte erneut die zahlreichen Stimmen.
Sie hämmerten auf mich ein, und sie riefen unaufhörlich nur einen Namen, bei dem es auch mir kalt den Rücken hinabrann.
ASMODIS!
Sie fanden schon beim dritten Versuch den entsprechenden Rhythmus. Sie waren erfüllt von diesem Teufelsnamen. Er hallte über den alten Friedhof hinweg und hinauf bis zu den Wolken.
Immer wieder intonierten sie diesen Teufelsbegriff, und Ricarda konnte sich ihm nicht verschließen.
Langsam senkte sie ihre Arme nach vorn.
Das Zeichen wurde verstanden.
Stille trat ein.
»Also gut«, rief die Tochter des Teufels ins Mikro. »Ich singe für euch das Solo für den Satan…«
***
Auch Suko hörte das Geschrei, als er im Bereich hinter der Bühne anlangte. Zwar nicht so laut wie an der Vorderseite, aber es war deutlich genug zu verstehen.
Ihn kümmerte das nicht. Er schaute sich stattdessen um, was zwei Männern nicht gefiel. Der Kleidung nach gehörten sie zu den Arbeitern. Sie hatten an ihrem Truck gestanden, Kaffee getrunken, dazu etwas gegessen und wunderten sich über den Fremden, der plötzlich erschienen war und sich so seltsam umschaute.
Ein Blick reichte aus, den sie sich zuwarfen. Dann setzten sie sich in Bewegung.
Suko blieb stehen. Aber ihm war schon das Wohnmobil aufgefallen, das nicht weit entfernt parkte. Er wäre gern hinüber gegangen, aber die beiden Männer waren zu
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