1458 - Die Spur der Haluter
sind?"
„Er ist oben in den Bergen", erwiderte der Posbi. „In den Gletschern hat er seine Höhle gebaut. Deshalb müssen wir jetzt steigen. Wir müssen auf eine Höhe von wenigstens vierzehn Kilometern kommen."
Wenig später sah Icho Tolot den Eingang zur Höhle. Er fiel ihm auf, weil davor einige wissenschaftliche Geräte aufgebaut waren, die offenbar der Erforschung der Atmosphäre dienten. Er landete unmittelbar neben ihnen. Nur wenige Schritte von ihm entfernt führte ein Tunnel ins Eis. Er war so hoch, daß er aufrecht hätte hineingehen können. Doch er betrat den Tunnel nicht, sondern blieb stehen und wartete. „Wir sind am Ziel", erklärte Pantalon. „Warum gehen Sie nicht weiter?"
„Weil ich die Privatsphäre meines Freundes respektiere", erwiderte Icho Tolot. „Eine Haltung, die dir fremd zu sein scheint."
„Durchaus nicht", behauptete der Posbi. „Möchten Sie, daß ich mich zurückziehe?"
„Genau das."
„Also, dann gehe ich jetzt." Pantalon rührte sich nicht von der Stelle. „Ich rufe dich über Funk, wenn ich deine Hilfe benötige", sagte der Haluter. „Oh, es genügt, mich einfach nur zu rufen. Ich komme dann schon."
Icho Tolot wandte sich ihm zu und streckte seine vier Hände nach ihm aus. „Wenn ich dich in einer Minute noch in der Nähe sehe, ist deine Existenz beendet", drohte er. Doch es war nichts als eine leere Drohung. Icho Tolot dachte nicht daran, wirklich gewalttätig zu werden.
Eigentlich fühlte er sich noch nicht einmal durch den Posbi belästigt. Doch der Haluter wollte ganz gern allein mit Domo Sokrat reden. So steckte hinter seinen Worten lediglich die Hoffnung, daß der Posbi sich täuschen und somit vertreiben lassen werde. Tatsächlich war er beeindruckt. Er preßte seine Arme an den Körper und rutschte einige Meter weit über das Eis. „Sie sind ein ausgesprochen schwieriger Freund", bemerkte er. „Es fällt mir nicht leicht, Ihre Wünsche zu erfüllen, aber dennoch werde ich alles tun, um Sie zufriedenzustellen."
Der Haluter holte zu einem Schlag aus, ohne jedoch zuschlagen zu wollen, und wiederum nahm ihm Pantalon ab, daß er es ernst meinte. Er flog mit hoher Beschleunigung davon und ließ sich zugleich steil in die Tiefe fallen, so daß er rasch seinen Blicken entschwand. „Ein lästiger Bursche", sagte Domo Sokrat mit dumpf grollender Stimme hinter ihm.
Icho Tolot drehte sich langsam um. Er lächelte, und in seinen roten Augen leuchtete ein warmes Licht. „Endlich habe ich Sie gefunden, Domo Sokrat", rief er. „Erlauben Sie mir, in Ihrer Nähe zu bleiben?"
„Ich bitte darum. Nach vielen Jahren der Einsamkeit kann ich ein bißchen Gesellschaft gebrauchen.
Wenn es Ihnen nichts ausmacht, bleiben wir hier draußen auf dem Eis. Ich liebe es, von hier aus auf das Land hinauszusehen. Die Wolken, die uns die Sicht versperren, werden sich bald '/erziehen."
Es war lange her, daß Icho Tolot den ehemaligen Orbiter Atlans gesehen hatte, und er erinnerte sich an eine Persönlichkeit, die sehr viel lebhafter und ungestümer gewesen war. Jetzt machte Domo Sokrat einen überaus ruhigen und zurückhaltenden Eindruck. Er ließ ihn an die Alten denken, die sich nach getaner Lebensarbeit zurückziehen, um den Müßiggang zu .genießen.
Er sagte ihm, daß er von Halut kam, und wie es dort aussah. „Ich war mit Atlan dort, um das Geheimnis unseres Volkes zu ergründen", erläuterte er. „Es scheint, daß es außer uns keine Haluter mehr gibt. Halut ist eine öde, atmosphärelose Welt. Ich habe den Eindruck gewonnen, daß alle Haluter bei einem Überfall der Blitzer ausgerottet worden sind. Wir beide sind vermutlich die letzten unseres Volkes."
Domo Sokrat entfernte sich einige Schritte von ihm. Das Eis des Gletschers knirschte unter seinen Füßen. „Sie irren", erwiderte er, nachdem er minutenlang zu den Gipfeln der Berge hinaufgeblickt hatte. „Unser Volk lebt."
„Tatsächlich?" rief Icho Tolot. Er wandte sich um und wunderte sich, daß er so ruhig blieb. Eigentlich hätten die Worte Domo Sokrats eine heftige Erregung bei ihm auslösen müssen. Tatsächlich war ihm zumute, als habe man ihm gerade gesagt, daß es nach sonnigen Tagen auch mal wieder regnen konnte. „Sind Sie sicher?"
Domo Sokrat kam zu ihm zurück und setzte sich auf das Eis. Mit zwei Händen stützte er sich ab, die anderen beide legte er lässig über die Knie. „Sicher?" Er lachte verhalten. „Wer kann schon sicher sein? Ich weiß nur, was die Legenden erzählen."
„Die Legenden?"
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