1459 - Der Dieb von Sira-VII
„Ich möchte dich um eine kleine Gefälligkeit bitten. Es wird dir keine große Mühe bereiten. Laß uns ein paar Minuten miteinander schweigen und an Ge-Liang-P'uo denken. Mehr ist nicht nötig - wiederhole nur einfach ihren Namen in deinen Gedanken."
Irmina Kotschistowa stellte keine Fragen, und Dao-Lin-H'ay war ihr dankbar dafür.
Als die Zeit um war, stand Dao-Lin-H'ay auf und ging schweigend davon. Sie sah noch, wie Irmina Kotschistowa sich erhob, und sie hörte, daß die Terranerin ein Fach öffnete, dann trat sie auf den Gang hinaus ... und fuhr herum. ,Irmina Kotschistowa starrte regungslos auf ein weit geöffnetes Schrankfach. Sie schien nicht einmal zu atmen. „Er ist weg", flüsterte sie.
Sie drehte sich langsam um und sah Dao-Lin-H'ay an. Sie war bleich wie der Tod. „Der Zellaktivator", sagte sie langsam. „Er war da drinnen. Und jetzt ist er nicht mehr da.
9.
Sie untersuchten Irmina Kotschistowas Kabine, das Schott, den Gang, jeden Weg, den das Phantom genommen haben konnte - ohne Befund und ohne Erfolg. „Nichts", faßte Julian Tifflor das Ergebnis lakonisch zusammen.
Niemand hatte einen Fremden im Schiff gesehen, die Sensoren hatten ihn nicht erfaßt, und wenn man der Tür zu Irminas Kabine glauben durfte, dann hatte sie sich auch für niemanden geöffnet. „Vielleicht ist er ein Teleporter", vermutete Bolder Dahn. „Oder er ist ein Geist."
Ras Tschubais Blicke sprachen Bände. „Warum soll er denn kein Geist sein!" protestierte Dahn mit der ihm eigenen Beharrlichkeit, die er immer dann besonders hervorkehrte, wenn es galt, eine seiner haarsträubenden Theorien zu verteidigen. „Wollt ihr etwa behaupten, daß es keine Geister gibt?"
„Wie kämen wir denn dazu?" fragte Tschubai. „Der Gegenbeweis sitzt ja hier vor uns."
Bolder Dahn stutzte. „Wie meinst du das?" erkundigte er sich mißtrauisch. „Nun", sagte Tschubai gedehnt. „Schon mal was von Kleingeistern gehört?"
„Kleine Geister?" fragte Bolder Dahn verblüfft. „Ich weiß nicht, ob es bei denen überhaupt Größenunterschiede gibt!"
„Hört endlich auf!" befahl Tifflor ärgerlich. „Aber ein kleiner Geist hätte natürlich auch besondere Chancen", fuhr Bolder Dahn ungerührt fort. „Er käme durch die feinsten Ritzen, und da wir keine Spur finden konnten ..."
„Hör mir gut zu, Bolder Dahn!" sagte Nia Selegris langsam und sehr deutlich. „Wenn du noch ein einziges Wort zu diesem Thema sagst, dann stopfe ich es dir höchstpersönlich in deinen Schlund zurück, hast du verstanden?"
„Du brauchst nicht erst grob zu werden", erwiderte Bolder beleidigt. „Ich habe nur versucht, eine Erklärung zu finden, aber wenn ihr sowieso alles besser wißt - bitte!"
Und damit marschierte er davon. „Das war unnötig", stellte Tifflor fest. „Zur Sache: Was haben wir?"
„Wie du selbst gerade festgestellt hast: nichts", bemerkte Fellmer Lloyd nüchtern. „Uns bleiben eigentlich nur Vermutungen. Immerhin wissen wir jetzt aber, daß dieses Phantom es durchaus nicht auf Mutanten abgesehen hat. Es hat uns drüben in SIRA-VII nicht wegen unserer Fähigkeiten angegriffen, sondern es wollte unsere Aktivatoren haben. Und wir verdanken es nur Irmina und Ge-Liang, daß es sie nicht alle miteinander bekommen hat. Es ist stark, es ist mächtig, und es ist praktisch unangreifbar."
„Die Frage lautet: Warum ist es geflohen?" sagte Tifflor nachdenklich. „Es hätte bleiben können - ich glaube nicht, daß es damit ein großes Risiko eingegangen wäre. Irmina ist offenbar die einzige, die ihm wenigstens einen ordentlichen Schrecken einjagen konnte. Nachdem es ihren Zellaktivator hatte, hätte es eigentlich nur noch zu warten brauchen. Warum hat es sich mit nur einem Aktivator zufriedengegeben?"
„Ich bin noch nicht davon überzeugt, daß es das wirklich getan hat", murmelte Ras Tschubai skeptisch. „Wer sagt denn, daß es nicht mehr da ist? Wir haben seine Anwesenheit doch ohnehin nur durch einen Zufall bemerkt - vielleicht sogar nur deshalb, weil es bemerkt werden wollte."
„Du meinst, es hat sich uns nur deshalb bemerkbar gemacht, weil es uns Aktivatorträger nach SIRA-VII locken wollte?" fragte Tifflor. „Es spricht einiges für diese Theorie", meinte der Teleporter. „Aber das würde bedeuten, daß es eine ganze Menge über uns weiß!"
„Es wußte, wo wir zu finden sind, und es weiß, wer von uns einen Aktivator trägt und wer nicht. Ich finde, daß es damit sowieso schon viel mehr weiß, als uns lieb sein
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