1459 - Die Hexe und ihr Henker
Aufgabe, und die werden sie durchziehen wollen.«
»Du vermutest, das sie noch einmal auftauchen?«
»Du sagst es, Bill.«
»Und wo?«
Ich lachte auf. »Das ist die Frage.«
»Nein, für mich nicht. Ich kann mir vorstellen, dass es ihnen um den Ort geht, den man ihnen genommen hat.«
»Also die Boutique?«
»Genau.«
Bills Gedankengang war nicht schlecht. Schließlich war der Platz, an dem sie vor Jahrhunderten gewirkt hatten, der Ort gewesen, an dem sich jetzt das Haus mit der Boutique befand.
»Hörst du noch zu, John?«
»Klar.«
»Was hältst du von meinem Vorschlag? Wir können die Boutique im Auge behalten und den beiden einen entsprechenden Empfang bereiten, wenn sie sich noch einmal dort zeigen.«
»Das könnte ich mir vorstellen. Aber ihnen geht es nicht um uns. Du und ich, wir haben den Ort ja nicht entweiht, um mal in ihrem Sinne zu sprechen. Laurie Andrews und vielleicht auch Emma Smith, das sind die beiden Problemfälle.«
»Klar.«
»Sie müssen in Sicherheit sein.«
Aus dem Augenwinkel nahm ich Lauries Kopfschütteln wahr.
»Moment, Bill.« Ich wandte mich an die Frau. »Was meinen Sie?«
Ihr Gesicht zeigte einen entschlossenen Ausdruck, als sie sagte:
»Ich will dabei sein.«
»Das habe ich gehört, John.«
»Okay, wir sprechen später noch darüber. Ich denke, dass sich in dieser Nacht nichts mehr tun wird. Zumindest hier nicht.«
»Treffen wir uns in der Boutique?«
»Ich rufe dich noch an. Gib inzwischen auf Emma Smith Acht.«
»He, ich…«
Ich hörte nicht mehr zu und unterbrach das Gespräch.
»Das war nicht höflich, John.«
»Ich weiß es selbst. Aber jemand muss auf Emma Smith achten. Okay, sie ist nur bei Ihnen angestellt, aber mit ihr hat alles angefangen. Ihr sind die Hexe und der Henker zuerst begegnet. Sie wissen über sie Bescheid. Ich bin mir nicht sicher, ob sie ihre Rache nur auf eine Person beziehen.«
Laurie tippte gegen ihre Brust. »Ich bin wichtig.«
»Das stimmt.«
Die Entschlossenheit auf ihrem Gesicht war geblieben. Mit einer ruckartigen Bewegung stand sie auf und strich durch ihre Haare.
»Ich benötige ein paar Minuten, um mich fertig zu machen, John. Danach können wir fahren.«
»Sie wollen also in Ihr Geschäft?«
»Was sonst?«
»Ich weiß nicht, ob das eine so gute Idee ist.«
»Aber ich.« Sie ließ sich nicht davon abbringen. »Außerdem will ich, dass der Spuk beendet wird, und zwar dort, wo er seinen Anfang genommen hat. Durch einen Spiegel sind sie verschwunden, haben Sie mir berichtet. Ich habe ihn bisher immer als normal angesehen, aber das scheint nicht mehr zu stimmen, und ich denke, dass Sie mir da Recht geben. Ich weiß nicht, ob man nur hingehen und den Spiegel zerstören muss. Das alles müssen Sie wissen.«
»Sie sind sehr forsch, Laurie.«
In ihren Augen blitzte es. »Wissen Sie, John, ich habe mir da etwas aufgebaut. Es ist nicht einfach gewesen, das kann ich Ihnen sagen. Man brauchte eine Menge Energie, und von dieser Energie habe ich noch immer einiges behalten.«
»Das sieht man.«
»Gut, dann warten Sie hier bitte.«
»Natürlich.«
Als sie den Raum verlassen hatte, stand auch ich auf. Ich folgte Laurie aber nicht. Dafür ging ich vor bis auf die Terrasse. Ich sah den Toten dort liegen und dachte daran, dass er dort erst mal bleiben musste. Ich würde ihn am nächsten Tag abholen lassen.
Der Wind blies mir ins Gesicht. London schläft nie, auch in der Nacht nicht.
Von unten her wurden die Geräusche der Straßen an meine Ohren getragen. Es war ein fernes Rauschen, und ich glaubte auch, den in der Nähe dahinfließenden Fluss riechen zu können.
Lichter schimmerten, als wären Sterne vom Himmel gefallen. Es war eine friedliche Nacht. So leicht wäre niemand auf die Idee gekommen, hier Unheil zu vermuten.
Leider war es so, und auch ich wurde immer wieder von diesen anderen Mächten überrascht.
Diesmal waren es eine Hexe und ein Henker.
Keine Feinde, wie man hätte annehmen können. Sie hielten zusammen. Normalerweise war es so gewesen, dass früher die Henker geschickt wurden, um die Hexen zu töten. Egal, ob dies durch ein Beil geschah oder durch das Festbinden an den Pfahl eines Scheiterhaufens.
Ich drehte mich um, als ich in meinem Rücken ein Räuspern hörte.
Laurie Andrews war zurück. Sie stand neben der Terrassentür und hatte sich umgezogen. Bekleidet war sie mit einem dunklen Hosenanzug. Über die Schultern hatte sie einen Schal gehängt. Sie vermied es, einen Blick auf den Toten zu
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