1464 - Die Vergessene
wie in ihren Sendungen. Nur war sie diesmal nicht so geschminkt. Zwar hatte sie ein Make-up aufgelegt, aber das hatte ihr die Natürlichkeit nicht genommen. So erkannten wir, dass auch TV-Moderatorinnen kleine Falten in der Haut hatten.
Leggings kamen wieder in Mode. Angie trug eine. Hautfarben, aber mit kleinen Blumen bedeckt. Darüber trug sie einen bauschigen Rock, der fast wie Tüll aussah, und das Oberteil bestand aus einem schlichten Sweatshirt.
»Kommen Sie rein.«
Das taten wir gern.
Es war keine große Wohnung. Der Frau reichte ein Apartment. Es war ein recht geräumiges Zimmer.
Wir fanden auf einer weißen wolkigen Couch unsere Platze. Vor uns stand ein Farbklecks. Ein Tisch mit einer rot lackierten Holzplatte. Ein Tablett mit kleinen Wasserflaschen und Gläsern hatte sie ebenfalls bereitgestellt, und so konnten wir uns bedienen. Sogar Gebäck zum Knabbern war vorhanden. Es lag in einer kleinen Silberschale.
Angie Lee hatte Stil, das war auch an der Einrichtung zu erkennen, denn die Möbel stammten nicht aus der Massenproduktion.
»Ich will ehrlich sein«, sagte sie, als sie sich hinsetzte. »Man hat mich bereits angerufen.«
Suko gab einen seufzenden Laut ab. »Rick Portman?«
»Wer sonst?«
»Das ist keine Überraschung.«
Angie Lee lachte und deutete auf die kleinen Flaschen. »Bitte, meine Herren, bedienen Sie sich.«
Das taten wir gern. Unter leicht gesenktem Blick schaute ich mir die Frau an. Sie war 32, das hatte sie in der Sendung gesagt. Ihre blonden Haare waren gegelt und dann nach hinten gekämmt. In dem etwas streng geschnittenen Gesicht fielen mir besonders die beiden Augen mit den sehr blauen Pupillen auf. Das wirkte auf dem Bildschirm.
Nachdem wir einen Schluck getrunken hatten, kam die Moderatorin zur Sache.
»Es geht also um mein letztes Interview, das ich mit Fatima Orex geführt habe.«
Ich gab ihr durch mein Nicken Recht.
Das wiederum sorgte bei ihr für ein Lächeln. Der Blick wurde etwas verhangen, als sie die Antwort gab. »Ja, das war schon ungewöhnlich, das gebe ich gern zu. Ich wundere mich sogar darüber, dass die Sendung nur so wenig Staub aufgewirbelt hat. Eigentlich hätten da stärkere Reaktionen kommen müssen.«
»Rechnen Sie denn damit?«
»Jetzt nicht mehr, Mr. Sinclair.«
»Wann denn?«
»Nun ja«, erklärte sie lächelnd. »Einen derartigen Fisch lässt man nicht von der Leine. Da muss man zusehen, dass er sich festbeißt. So jedenfalls sehe ich das.« Sie schaute zu Boden und runzelte dabei die Stirn. »Ich habe den Eindruck, dass Fatima Orex noch viel mehr hergibt, wie man bei uns in der Branche sagt.«
»Inwiefern?« fragte Suko.
»Weil sie einiges weiß. Sie ist wirklich ein Phänomen. Sie kann uns weiterbringen. Nicht nur mich, sondern die Menschheit, und das ist sehr wichtig.«
»Da haben Sie etwas Großes gelassen ausgesprochen«, sagte ich.
»Ich bin nur Realistin. Ich habe ihr gegenüber gesessen. Ich kenne sie inzwischen. Zwar nicht genau, aber ich habe etwas gespürt, und ich weiß, dass es erst der Anfang gewesen ist. Mit ihr hängt wirklich ein Goldfisch an meiner Leine, meine Herren.«
»Dann glauben Sie ihr also?«
»Was?« Angie Lee schaute Suko fragend an.
»Ihr Alter.«
»Ja – ja, das glaube ich ihr.«
»Mehrere tausend Jahre?«
»Ha, Sie ziehen ein skeptisches Gesicht. Kann ich verstehen. Das war bei mir auch der Fall. Aber ich glaube ihr inzwischen. Die war so überzeugend. Die war einfach anders.« Daumen und Zeigefinger ihrer rechten Hand zeigten einen Zwischenraum von vielleicht einem Zentimeter. »So klein mit Hut habe ich mich ihr gegenüber gefühlt. Und ich bin nicht von gestern. Ich kenne das Geschäft. Aber wer neben ihr steht oder vor ihr sitzt, der muss sich einfach so vorkommen.«
Das mochte sie so gesehen haben, für uns was das nicht wichtig.
Ich wiederholte Sukos Frage.
»Einige Tausend Jahre soll sie also gelebt haben?«
»Ja.«
»Und das glauben Sie ihr wirklich?«
Suko und ich wunderten uns beide über die spontane Antwort.
»Sie werden lachen, Mr Sinclair. Ja, ich glaube ihr tatsächlich. Und Sie hätten das auch getan, wenn Sie neben ihr gesessen hätten. Man konnte sich nicht vorstellen, dass sie lügt. Charisma, Aura, wie auch immer.«
»Und wo hat sie all die Zeit über gesteckt?« fragte Suko.
»Sie war vorhanden. Mehr weiß ich auch nicht.«
»Haben Sie die Frau nicht danach gefragt?«
»Doch, wir haben kurz vor der Sendung miteinander gesprochen, doch eine Antwort habe ich nicht
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