1465 - Der Blutschwarm
entweiht. Das allein empfand Carlotta schon als schlimm.
Es musste einen Weg geben, der es ihnen ermöglichte, in die Kirche einzudringen.
Sie ging davon aus, dass die Höhe entscheidend war. Und dabei vor allen Dingen das Dach, denn hier konnte es Lücken geben, durch die die Bestien in das Gebälk gelangten, wo sie eine gute Deckung und einen sicheren Schutz fanden.
Sie drehte ab, um an der Breitseite der Kirche entlang zu fliegen.
Dass sie dabei von einem Menschen entdeckt werden würde, brauchte sie nicht zu fürchten, denn niemand hielt sich in der Nähe auf, selbst der Pfarrer nicht. Und die Bewohner von Benmore blieben lieber in ihren Häusern und Wohnungen.
Dass Maxine die Kirche auf dem normalen Weg betreten wollte, hatte Carlotta noch gesehen. Wahrscheinlich befand sie sich schon in ihrem Innern.
Sollten die Fledermäuse tatsächlich im Gebälk unter dem Dach hocken, dann hatten sie freien Blick. Dann schwebte auch die Tierärztin in großer Gefahr, und Carlotta dachte daran, ihr den Rücken zu decken.
Mit einem nächsten Flügelschlag gewann sie wieder an Höhe und glitt jetzt über das Dach hinweg, das eine leichte Schräge aufwies und mit Pfannen bedeckt war.
Carlotta landete. Sie hatte erkannt, dass die Pfannen nicht brüchig waren und ihr Gewicht tragen würden. Trotzdem setzte sie die Füße recht vorsichtig auf, während sich ihre Flügel am Rücken zusammenfalteten.
Ja, das Dach hielt.
Sie schaute nach rechts.
Dort ragte der Turm hoch. Er lief in einer Spitze aus, darunter aber befand sich ein Viereck. Es war sogar recht kompakt und mit Fenstern bestückt.
Die Sicht war klar und auch gut, sodass Carlotta den Himmel beobachten konnte, an dem nichts Aufregendes passierte. Die Dachpfannen schimmerten durch eine pflanzliche Patina leicht grünlich, und Carlotta stellte fest, dass sie durch ein Turmfenster in das Innere der Kirche gelangen konnte. Andere Öffnungen sah sie nicht.
Der Turm war mit wenigen Schritten erreicht. Was am Boden passierte, interessierte sie in diesem Moment nicht. Sie schaute sich die Öffnungen in der Mauer an.
Sie waren doch enger, als sie gedacht hatte. Aber sie würde es schaffen, sich hindurchzuzwängen, wenn sie sich ganz schmal machte.
Seitlich stieg sie durch die viereckige Öffnung in das Innere des Turms, in dem ihr sofort die beiden Glocken ins Auge stachen, die dicht nebeneinander hingen.
Es war Platz genug, dass sie um sie herumgehen konnte. Ein Geländer aus Holz sicherte sie ab.
Auch hier hielten sich keine Feldermäuse versteckt, obwohl es ein guter Ort war.
Es musste auch aus dem Inneren der Kirche einen Weg geben, über den der Glockenturm zu erreichen war.
Carlotta hielt nach einer Treppe oder Leiter Ausschau.
Sie brauchte nicht lange zu suchen, denn sie hatte das Viereck kaum umrundet, da entdeckte sie die schmale Tür in der Wand. Allerdings war der Zugang geschlossen, was ihr nichts ausmachte. Zur Not würde sie die Tür aufbrechen.
Das konnte sich Carlotta schenken, denn als sie die Klinke gedrückt hatte, merkte sie schnell, dass die Tür nicht abgeschlossen war. Sie ließ sich leicht öffnen.
Das Vogelmädchen blieb vorsichtig. Nahe der Fenster war es noch heller gewesen, jetzt aber schaute sie in die Dunkelheit hinein und entdeckte erst beim zweiten Blick die nach unten führende Treppe aus Holzstufen.
Nur wenige Stufen hoben sich aus der Dunkelheit ab. Es war auch nicht zu erkennen, wohin die Treppe führte und wo sie endete, aber es war der richtige Weg, denn Carlotta glaubte, das Innere der Kirche riechen zu können, da eine bestimmte Kühle zu ihr hoch drang.
Sie musste gehen. Lieber wäre sie geflogen, aber dafür war es hier oben zu eng. Carlotta hatte vor, sich so leicht wie möglich zu machen, damit sich die verräterischen Geräusche in Grenzen hielten.
Das Holz würde sie tragen. Carlotta stellte es nach einem ersten Drucktest fest. Auch ein Geländer war an der linken Seite vorhanden.
Carlotta hielt sich fest. Stufe für Stufe stieg sie hinab und lauschte dabei den leisen Geräuschen, die sich doch nicht vermeiden ließen.
Es gab niemanden, der auf sie aufmerksam geworden wäre. Zumindest hörte sie nichts, und es kam ihr auch niemand entgegen.
So setzte sie ihren Weg fort. Ob ihre Augen besser waren als die eines normalen Menschen, wusste sie nicht. Jedenfalls ging sie nicht in einer stockschwarzen Finsternis weiter, sondern sah Umrisse in ihrer Nähe. Nicht nur das Gelände, denn nicht weit entfernt breitete sich
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