1465 - Der Blutschwarm
brauchten Blut, um überleben zu können, das war mir klar. Ich habe ihnen Blut besorgt. Ich habe sie gefüttert, ich habe ihnen ihr Leben wieder zurückgegeben, und das haben sie mir gedankt. Es ist einfach wunderbar, wie sie zu mir halten und mir gehorchen. Und so brauche ich ihnen kein Blut mehr zu besorgen, denn das übernahmen sie selbst. Sie überfallen Menschen, reißen ihnen Wunden und trinken sie leer, und erst dann sind sie zufrieden. Das ist heute geschehen. Das wird auch weiterhin geschehen, und die Menschen, die hier leben, müssen sich damit abfinden.«
Der Pfarrer hatte zugehört und jedes Wort praktisch in sich hineingesaugt. Er konnte es nicht fassen, obwohl er alles glaubte. In seinem Innern kam es zu einem Kampf der Gefühle.
Auf der einen Seite spürte er den Widerstand, auf der anderen wusste er, dass er zu schwach war, um gegen diese Bestien ankämpfen zu können. Er stand allein, er wusste Bescheid, er würde die anderen Menschen warnen müssen, aber was brachte das?
Polizei, Jäger, Tierfänger – eine ganze Truppe, die auf die Jagd nach dem Blutschwarm ging und ihn trotzdem nicht finden würde, denn in dieser Gegend gab es zahlreiche Verstecke, die kaum einem Menschen bekannt waren, Dafür aber Joel Dancer. Er hatte die Bestien gefunden und sie zu neuem Leben erweckt.
»Was ist mit meiner Kirche?« fragte der Reverend, nachdem er einige Male tief Luft geholt hatte.
»Oh, die neue Heimat für meine Freunde. Ich mache dir einen Vorschlag, Pfaffe. Du kannst dein Leben retten, wenn du von hier verschwindest. Ja, du ziehst dich zurück. Geh in eine Großstadt oder bleibe auf dem Land, das ist mir egal. Wichtig für mich ist nur, dass ich dich hier nicht mehr sehe. Ab jetzt gehört deine Kirche mir und meinen Freunden. Ob du dich von deiner Gemeinde verabschieden willst oder nicht, das ist mir egal. Meinetwegen kannst du es tun. Ich mache ihnen dann schon klar, wem die Kirche jetzt gehört.«
Ian Prestons Gesicht war wie versteinert. Er hielt den Mund geschlossen und schüttelte den Kopf.
»Nie«, sagte er.
Dancer hielt eine Hand gegen sein rechtes Ohr. »Was hast du da gesagt, Pfaffe?«
»Nie und nimmer!«
»Okay. Ich dachte schon, ich hätte mich verhört. Wie du willst. Meine Freunde sind in der Nähe. Ich brauche ihnen nur ein Zeichen zu geben, dann werden sie dich attackieren, und sie werden ebenso schnell sein wie bei deinem Freund Toby McGuire. Er hatte sie gesehen, und ich wollte da noch keinen Zeugen. Deshalb haben ihn meine Freunde zerbissen.« Dancer lachte. »Er hatte keinen schönen Tod, das kannst du mir glauben.« Dancer schlenkerte erneut mit seinen Beinen. »Du kannst es dir überlegen, Pfaffe. Denke genau nach, mehr sage ich nicht, denn du stehst hier ganz allein. Du hast keinerlei Unterstützung von den anderen, denn die machen sich vor Angst in die Hose. Dir hilft niemand.«
»Doch – ich«, sagte eine Frauenstimme…
***
Es war der berühmte Moment des Bombeneinschlags oder der sprachlos machenden Überraschung. Selbst Joel Dancer zuckte zusammen, und er blieb dabei in seiner gebückten Haltung auf der Altarplatte hocken.
Nach dieser Antwort war es sehr still geworden. Den Aufprall einer Stecknadel auf dem Boden hätte man hören können, bis die Stille durch das leise Pochen von Schritten unterbrochen wurde.
Auch jetzt sagte keiner der beiden Männer ein Wort. Aber jeder von ihnen hatte die Worte gehört, und sie starrten beide in Richtung Tür, um zu sehen, wer dort ankam.
An der Stimme hatten sie erkannt, dass es eine Frau war, aber es war eine Person, die nur einer von ihnen kannte, der Pfarrer. Er hatte sie in Begleitung ihrer Nichte gesehen, die jetzt fehlte.
Die herankommende Frau strahlte eine Sicherheit aus, die dem Pfarrer Mut machte.
Sie sagte erst mal nichts. Er war ihr wichtig, das Halbdunkel zu verlassen und eine bestimmte Stelle zu erreichen, von der aus sie beide Männer im Auge behalten konnte.
Maxine Wells hatte alles gehört. Sie wusste jetzt Bescheid. Weitere Fragen wollte sie nicht stellen. Die beidem Männer waren ja nicht dumm. Sie konnten sich auf die neue Lage einstellen, und sie hoffte, dass der Geistliche durch ihr Erscheinen wieder etwas mehr Hoffnung bekommen hatte.
Ian Preston spürte, dass er sich entspannte. Er glich nicht mehr einer Statue. Er konnte wieder durchatmen, und allein das Auftreten der Frau gab ihm die nötige Sicherheit.
Die Tierärztin wusste, was sie dem Pfarrer schuldig war. Sie lächelte ihm aufmunternd
Weitere Kostenlose Bücher