1471 - Museum der Archäonten
dieser Langlebigkeit; nämlich Ginnimar und Sailor. Vielleicht hatte es daran gelegen, daß sie unter denselben Umständen aufgewachsen waren. Nur entdeckte niemand die wahre Ursache. Womöglich eine Strahlung in der Korona des Muttersterns. Oder etwas anderes ... Und was an diesen Umständen trennte sie von der Masse der Viperter?
Valinet und die beiden anderen nutzten ihren Vorteil.
Sie stiegen zu bedeutenden Mitgliedern der Rasse auf. Mit der Zeit allerdings zogen sie sich von allen offiziellen Geschäften zurück und beobachteten nur noch. Immer mehr gerieten sie in Vergessenheit; und immer schmerzlicher wurde ihnen klar, daß die Viperter ein toter Ast der Evolution waren. Sie würden aussterben, bevor eine höhere Entwicklungsstufe erreicht war.
Doch nun...
Nun war alles anders. Nun waren die Eskuquel da. Es gab eine neue Perspektive.
*
Im Laufe der Nacht erreichte sie die Nachricht, daß weitere Asteroidenstädte die Systemgrenze überflogen. Die Fremden waren Nomaden. Scheinbar ohne Ziel suchten sie den Kosmos nach etwas ab, was sie nicht kannten. Aber sie hielten eine gemeinsame Richtung. Das bewies die Ankunft der neuen Städte.
Auch diese Städte gingen über dem Planeten nieder. Sie wählten scheinbar beliebige Siedlungen der Viperter und landeten dort. Valinet war sicher, daß in diesen Augenblicken viele neue Kontakte stattfanden. Wie groß würde die Zahl derer sein, die zurückblieben? Morgen schon konnte ihre Heimat verwaister Boden sein.
Aber Valinet war nicht traurig darüber.
Kein Zustand dauerte ewig an. Wer nicht imstande war, rechtzeitig Veränderungen herbeizuführen, ging unter. Der Kosmos war ein Strom, kein Zustand. „Sailor", sagte er deshalb, „wir müssen gehen. Und ich kann nur hoffen, daß du es verstehst. Ich bitte dich, um unserer Freundschaft willen: Komm mituns!"
Die sanfte Ginnimar nahm Sailors Hände und sah ihn zärtlich an. Ein Funke von Eifersucht erwachte in Valinet - doch er hielt rechtzeitig seine Gefühle im Zaum. Seine Zeit würde kommen. Irgendwann, irgendwo zwischen den Sternen würde sie ihn so ansehen.
Sailor wand sich. „Laßt mir Zeit", bat er. „Das geht nicht", antwortete Ginnimar. „Wenn das erste Sonnenlicht in den Zirkel des gesunkenen Mondes fällt, beginnt die Reise."
Sailor stand abrupt auf und ging zur Tür. Wie so oft steckten die Hände tief in den Falten seiner Robe, als müsse er sich an irgend etwas festklammern. „Sucht mich nicht", sagte er. „Laßt mich in Ruhe."
Doch Ginnimar fragte weiter. „Wirst du mit uns kommen?"
„Ich weiß es nicht, verdammt!" Sailor explodierte fast. Er wandte sich ab und verließ mühsam beherrscht den Raum.
In dem Augenblick war Valinet fast sicher, daß er den Gefährten zum letzten Mal gesehen hatte. Wenige Stunden noch, dann war es soweit. Er und Ginnimar suchten ihre Wohnzellen auf. Sie verstauten ihre wenigen Habseligkeiten in Nullgravbündeln und machten sich auf den Weg zum Zirkel. Dort verbrachten sie den Rest der Nacht.
*
Zehntausende von Vipertern fanden sich ein. Es mochte sich um neun Zehntel aller Einwohner handeln, die in der Umgebung lebten. Wenn nicht mehr... Dabei hatte höchstens ein Drittel dieser Zahl die Asteroidenstadt selbst besucht.
Aber die anderen, überlegte Valinet. Sie mußten von Freunden alles erfahren haben. Schließlich spürten auch sie die Anziehungskraft der Eskuquel. Doch das machte nichts, weil in der riesigen Stadt Platz genug für noch mehr Bewohner war. „Es wird Zeit", sagte Ginnimar. „Wir starten bald."
Gemeinsam mit den anderen setzten sie sich in Bewegung. Die Bündel auf ihren Rücken spürten sie kaum. Valinet dachte an die Stadt, die wie ausgestorben gewirkt hatte, ohne jedes Leben. Viele Jahrhunderte hatte er hier verbracht. Und nun erwachte in ihm doch noch die Wehmut; es war ein Abschied für immer.
Natürlich gab es nichts von Wert, was er zurückließ. Fast nichts... Denn da war immer noch Sailor. „Komm, Valinet."
Ginnimar zog ihn am Ärmel seiner .Robe mit. Sie schlossen sich den letzten Vipertern an, die auf den Schacht zueilten. Nur noch hundert von ihnen drängten sich unter der Öffnung, dann fünfzig, vierzig, zuletzt nur noch zehn. „Wir sind die letzten", flüsterte er. „Länger können wir nicht warten", sagte Ginnimar bedauernd. „Sonst geht die Reise ohne uns los. Willst du das?"
Valinet antwortete nicht. Er drehte sich um und starrte zurück auf die Obelisken, die die ersten Strahlen des Muttersterns
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