1472 - Wahnsinn in Manhattan
dem Hintergrund. Sie war damit beschäftigt, ihre Haare hochzubinden. Wer eine solche Haarpracht trug, der schwitzte noch mehr bei diesem Wetter. Und wer nicht schwitzte, der war auch nicht gesund.
»Einmal überstehen wir das. Was sollen die anderen Menschen sagen, die Tag für Tag in diese fahrende Sauna einsteigen müssen?«
Suko nickte. »Stimmt auch wieder.«
»Dann wünsche ich euch viel Spaß. Und solltet ihr heute Abend mal pünktlich erscheinen, wird nicht nur kalter Tee bereitstehen, sondern auch eine Kaltschale aus frischem Obst. Das erfrischt besser als Bier oder was weiß ich.«
»Das müsste ich erst noch ausprobieren«, sagte ich.
»Heute Abend, John.« Shao lächelte honigsüß. Sie hatte es besser als wir und brauchte nicht in diese Hitze hinein, aber das war mir jetzt alles egal, denn in der Wohnung zu bleiben war ebenfalls kein Zuckerschlecken.
Bis zur U-Bahn-Station war es nicht weit.
Normalerweise konnte man auf dem Weg dorthin die Luft genießen. Doch nicht an diesem Tag. In der Nacht hatte es mal kurz geschüttet, da war dann die Stadt zu einer dampfenden Welt geworden, und jetzt, wo eine fahle Sonne an einem grauen Wolkenhimmel noch mehr Wärme gebracht hatte, ließ es sich kaum aushalten. Das Grauen hatte einen Namen bekommen, und der hieß Wetter.
Seit Wochen schon hielten sich die Temperaturen, und ich wunderte mich, dass die Menschen so viel Schweiß absondern konnten.
Das galt auch für mich.
Besonders litten die alten Menschen. Immer wieder jagten Rettungswagen durch die Stadt zu den Notaufnahmen der Krankenhäuser.
Viele Leute nahmen Ersatzhemden mit ins Büro, weil sie auf dem Weg dorthin bereits das erste Mal durchgeschwitzt waren.
Suko und ich hatten uns für dünne Jacken entschieden, damit man unsere Waffen nicht sehen konnte.
Als wir unter die Erde stiegen, da wurde die Luft noch dicker und schlechter.
Wir fuhren zwar nur ein paar Stationen bis zur Haltestelle St. James Park.
Zum Glück waren wir nicht ständig auf die U-Bahn angewiesen.
Im Büro würde ich an diesem Morgen sogar auf einen Kaffee verzichten, und das sollte etwas heißen. Bei diesem Wetter ging nichts über eisgekühltes Wasser.
Unser Zug war noch nicht eingetroffen. Doch lange dauerte eine Wartezeit nie. Auf dem Bahnsteig drängten sich bereits die Fahrgäste zusammen, und ich bekam etwas von den Gerüchen mit, die uns bald noch intensiver umgeben würden.
Beide blieben wir stumm. Jedes Reden war reine Energieverschwendung.
Auch die übrigen Fahrgäste hingen ihren Gedanken nach und schauten stoisch ins Leere. Sogar die vielen Zeitungsleser verzichteten bei diesen Bedingungen auf ihre Lektüre.
Viele Frauen waren so luftig gekleidet, dass sie mit ihren Outfits fast in ein Freibad gepasst hätten, aber es gab auch die Business-Leute, die zu ihren Hemden noch Krawatten trugen.
Endlich dampfte der Zug an. Dieser Vergleich traf wirklich zu, denn die Wagen brachten noch mehr Hitze mit.
Das Stoppen geschah ruckartig. Ich hatte den Eindruck, dass die Luft über den Wagen zitterte, aber das konnte auch Einbildung sein.
So richtig wohl fühlte ich mich nicht, eher als Teil einer Masse, die auf den Wagen zugedrückt wurde und das Glück hatte, direkt an einer Tür zu landen.
Zwei Hände schoben mich hinein. Als ich den Kopf drehte, schaute ich in Sukos grinsendes Gesicht. Wir waren ziemlich weit vorn eingestiegen, direkt hinter der Zugmaschine. Einen Sitzplatz ergatterten wir nicht. Also stehen wie viele andere Fahrgäste auch und bis zur Haltestelle St. James Park die uns umgebenden Gerüche stoisch ertragen.
Schweißflecken im Achselstoff der Hemden ließen sich nicht vermeiden, und sie waren auch zu sehen, wenn die Besucher die Arme hoben, um sich an den Ringen festzuhalten.
Nicht weit von mir entfernt stand ein Farbiger, der sogar noch einen Anzug trug. Als sich unsere Blicke trafen und er mein nicht eben fröhliches Gesicht sah, sagte er: »Das muss man aushalten. Im Dschungel ist es noch schlimmer.«
»Ich bin aber nicht im Dschungel.«
»Richtig, Mr. Sinclair. Aber das hier ist der Großstadtdschungel.«
»Sie kennen mich?«
»Wir haben den gleichen Arbeitgeber. Ich bin nur weniger auf der Piste als Sie.«
»Arbeiten Sie im Bauch des Yard?«
»Das kann man so sagen. Ich bin in der Abteilung für Internetverbrechen tätig, die ja, wie Sie vielleicht wissen, immer mehr zunehmen.«
»Leider.«
Wir waren längst unterwegs, und mich hatte mal wieder der typische Londoner U-Bahn-Horror
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