149 - Piraten der Finsternis
Badenachmittag einplanen?"
„Nicht vor drei Uhr!" rief Roquette. „Morgen bringen wir dich zum Flugzeug, nicht wahr, Torben?" „Mit der Hoffnung, ihn nur noch privat zu sehen!"
„Einverstanden."
An vielen auslaufenden Booten vorbei brummten sie in den Hafen, machten die NEFERTITI fest, steckten Elektrizitätskabel und Wasserversorgung ein und lagen kurz darauf in den Betten.
Das Flugzeug dröhnte über ihre Köpfe hinweg, als sie von Ajaccio aus nach Süden fuhren. Obwohl sie sicher war, daß Dorian sie nicht sehen würde, winkte Roquette. Sie fühlte sich gelöst und war wie verwandelt: Nein! Sie war verwandelt.
„Ich freue mich auf jede Stunde der nächsten Tage", sagte sie leise. „Jeden Felsen werde ich mit ganz anderen Augen ansehen. Und wenn ich dich anschaue, Torben, werde ich vor Glück schielen." „Mitunter machst du verwirrende Komplimente", wunderte er sich. „Aber mir geht es nicht anders. Sogar das Wetter ist auf unserer Seite."
Sie waren unterwegs nach Bonifacio. Vielleicht machten sie auch einen Abstecher nach Porto Cervo. Für Roquette fing ein neuer Abschnitt ihres Lebens an. Sie zwang sich dazu, nicht allzu viele Gedanken daran zu verschwenden, daß es das letzte Kapitel sein konnte.
Sie würde solange bei Torben Capeder bleiben, bis er sein Schiff verließ, um nach Kanada zurückzufliegen.
Roquette blieb zweiunddreißig Tage lang. Dann war das Wetter endgültig umgeschlagen und so schlecht geworden, daß das Leben auf dem Schiff nicht mehr möglich war.
Der Abschied war herzzerreißend, aber kurz. Roquette kehrte in ihr kleines Haus zurück und weinte.
Herbst und Winter vergingen quälend langsam.
Roquette kontrollierte ihre Überlegungen und Empfindungen ebenso genau und prüfend wie ihren Körper. Mit jedem Tag, manchmal in Abständen von einigen Stunden nur, fing sie an, sich an das Unausweichliche zu gewöhnen. Ihr zweites Leben - nach den Kellern von Le Castellet - war nur geliehenes Leben. Sie alterte zu schnell. Und es gab nur ein Mittel, diesen Prozeß aufzuhalten oder gar in ebenso winzigen Schritten in eine andere Art von Existenz zurückzuführen.
Sie brauchte einige Wochen, um die praktischen Folgerungen ihres langsam keimenden Entschlusses in die Tat umzusetzen. Sie schrieb Briefe und packte Teile ihres Besitzes ein, schnürte kleine und größere Pakete und schrieb Adressen: Charlie Arthold, Oliver Brunner, Torben Capeder - und Dorian Hunter. Sie brachte die vielen Sendungen zur Post und saß dann wieder lange vor dem lodernden Kaminfeuer, während draußen der Sturm heulte und der Schlagregen gegen die kleinen Läden prasselte.
Sie vermißte Sonnenschein und Wärme.
Sie sehnte sich nach dem klaren Wasser.
Sie fand heraus, daß ihre Vermutungen und die vielen Äußerungen Torbens völlig richtig waren.
Im Frühjahr, als die Sonne kräftiger brannte und sich das Wasser zu erwärmen begann, verließ sie ihr Haus und ging über die vielen schmalen Pfade bis zum Meer hinunter. Sie watete langsam hinein und fühlte, trotz der Kälte des Wassers, wie eine neue Energie in ihrem Körper zu pulsieren begann. Sie blieb, ohne zu frieren oder sonst etwas zu vermissen, den ganzen Tag im Wasser, schwamm und tauchte. Als sie wieder herauskam, stand ihr Entschluß fest. Sie ging wieder zum Wasser, blieb länger darin, kam immer seltener an Land, und eines Tages entschloß sie sich, das Wasser endlich als neues Lebenselixier zu betrachten.
Sie besuchte zum letztenmal Jeannot d'Arc, schenkte ihm ein paar Decken und das moderne Radio, und als sie ihm von ihrem Entschluß berichtete, stimmte er zu.
„Du hast den richtigen Weg gewählt, Nixlein", waren für eine endlos lange Zeit die letzten menschlichen Worte. Sie schwamm davon und wußte, daß ihr drittes Leben angefangen hatte.
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