1490 - Das Rätsel der Leichenvögel
vor seiner Tür verstummten.
Erst das Klopfen, dann die Frage: »Bist du fertig?«
»Ja.«
»Dann schenke ich schon mal den Kaffee ein.«
»Kannst du machen.«
Umgezogen hatte sich Elliot auch. Er trug jetzt ein blaues Jeanshemd und eine schwarze Hose. Zuletzt kämmte er sein braunes Haar noch mal durch und achtete darauf, dass die Zinken des Kamms die Wunde nicht berührten.
Vom Bad aus musste er durch den Flur gehen und dann die Treppe hinab in den großen Wohnraum, der fast die ganze untere Etage einnahm. Nach dem Tod seines Vaters hatte er das Haus umbauen lassen. Ein Teil der Decken war weggenommen worden, die alten Holzbalken freigelegt und neu präpariert. Wer jetzt in dem geräumigen Raum saß, dessen Blick glitt hoch bis unter das Dach. Der andere Teil des Hauses war nur renoviert worden.
Simone Radmann hatte die Möbel ausgesucht. Sie mussten groß und wuchtig sein, um in dem großen Raum nicht verloren zu wirken. Auf den hellen Holzgestellen der beiden Couches lagen dicke Lederpolster. Der Tisch war ebenfalls recht groß. Um ihn herum standen zwei Sessel und eine Couch.
Simone, die auf der Couch saß, wirkte dort ein wenig verloren. In zwei Jahren wurde sie dreißig. Sie war eine junge Frau mit dunkelblonden Haaren, einem ebenmäßigen Gesicht und einer schlanken Figur. Über ihre weiße Bluse hatte sie eine braune Weste gestreift.
Auf dem Tisch dampfte aus zwei Tassen der Kaffee, und Elliot lächelte, als er das sah und auch roch.
»Da bekommt man ja richtig Appetit«, lobte er.
»Du kannst auch etwas essen. Meine Mutter hat mir das Weihnachtsgebäck aus Deutschland geschickt. Selbst gebacken. So etwas bekommst du nicht zu kaufen.«
»Das glaube ich dir.« Elliot nahm Platz und schaute sich den nett gedeckten Tisch an.
»Toll, wie du das immer machst.«
»Ach, das ist nicht so schwer. Bist du denn im Gewächshaus fertig geworden?«
»Ja, das bin ich.«
»Und wie hast du dir die Verletzung auf dem Kopf zugezogen?«
Er hatte gewusst, dass Simone etwas auffallen und sie diese Frage stellen würde, und er hatte sich auch schon eine Antwort zurechtgelegt. Erst nachdem er einen Schluck getrunken hatte, gab er die Antwort.
»Ich habe mich gestoßen. An einer Ecke. Ich bückte mich, kam zu schnell wieder hoch, und dann ist es passiert. Ich habe alle Engel im Himmel singen gehört.«
»Das glaube ich dir gern.«
Er zuckte mit den Schultern. »Das passiert eben.«
Simone sagte nichts. Sie schaute zu, wie ihr Freund von den Plätzchen nahm, aß und ein sehr zufriedenes Gesicht machte. »Die sind ja was ganz Besonderes.«
Simone hob die Schultern. »Ich weiß, Elliot. Meine Mutter konnte schon immer gut backen.«
»Davon esse ich noch ein paar.«
»Bitte.«
Auch der Kaffee war gut. Nachdem seine Tasse beinahe leer war, lehnte sich Elliot Wells zurück und drückte seinen Rücken gegen das dicke Polster.
Er wollte Simone fragen, wie weit sie mit den Abrechnungen gekommen war, aber sie kam ihm zuvor.
»Was ist wirklich passiert, Elliot?«
Er tat unwissend. »Was meinst du damit?«
»Die Wunde an deinem Kopf natürlich.«
»Ach, die…«
»Bitte, Elliot, du kannst mir nicht erzählen, dass du dich gestoßen hast. Das glaube ich dir einfach nicht, denn du bist ein Mensch, der in allen Dingen, die er tut, immer sehr achtsam ist.«
»Nicht immer.«
»Doch!«
Er wollte ihrem Blick ausweichen. Aber das ließ Simone nicht zu.
Sie war eine Frau, die genau wusste, was sie wollte. Sie war zudem nicht auf den Kopf gefallen und hatte die kaufmännische Leitung der Gärtnerei übernommen. Große Probleme hatte es bisher nicht gegeben.
Er lächelte.
»Lenk bitte nicht ab, Elliot. Es ist etwas passiert, das sehe ich dir an. Wobei ich nicht nur deine Wunde meine. Es ist auch etwas in deinen Augen…«
»Was denn?«
Sie beugte sich ihm entgegen. »Willst du es wirklich hören?«
»Ja.«
»Angst«, flüstere Simone. »Ob du es nun glaubst oder nicht, aber ich sehe Angst in deinen Augen.«
Elliot Wells wollte lachen oder alles für unsinnig erklären, aber da war der Blick seiner Partnerin, und dem konnte er nicht entrinnen.
Deshalb gab er nach.
»Ja, da war etwas.«
»Habe ich es doch gewusst oder gespürt. Und es ist schlimm gewesen, nicht wahr?«
»Leider.«
»Dann höre ich gern zu.«
Elliot schüttelte den Kopf, obwohl seine Wunde dabei schmerzte.
»Ich wollte es dir nicht sagen, weil es einfach zu unglaublich und auch unwahrscheinlich ist. Du kannst dir das wahrscheinlich nicht
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