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1491 - Transit nach Terra

Titel: 1491 - Transit nach Terra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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förmlich Berge aus Pulverschnee. Lindorn hielt die Schnüre fest umklammert. Er drehte sich um, sah die Station in einer wirbelnden Fontäne aus Weiß verschwinden.
    Wie auf Antigravschwingen raste der Segler einen langgeschwungenen Abhang hinunter. Das Topo-Display lieferte Schnittbilder von der Landschaft in Fahrtrichtung. Lindorn erkannte freie Strecke. Er spielte ein bißchen an den Schnüren herum. Mal bogen sich die Kufen rechts-, mal linksherum, ganz seinem Spieltrieb entsprechend.
    Zum erstenmal seit Wochen fühlte er sich frei.
    Niemand kontrollierte ihn, niemand trieb ihn zur Arbeit an. Keine Mnestia, kein Wenald, keine halbtelepathische Syntronik mit Blick auf sein Innerstes.
    Lindorn raste einen halben Tag lang einfach nur mit dem Wind geradeaus. Am Ende hatte er sich fünfhundert Kilometer von der Station entfernt, immer dem Pol entgegen. Klonpinguine kreuzten seinen Weg und stoben kreischend auseinander. Weit oben schwebten Schneevögel - importierte Exemplare aus irgendeiner Kolonie.
    Pax Terra...
    Zum erstenmal empfand er, was hinter diesem Wort steckte. So wie ihm sollte es jedem Wesen der Galaxis gehen, dann wäre das Ziel erreicht.
    Als er müde wurde, riß Lindorn den Segler herum. Knirschend kam das Gefährt zum Stillstand und drehte sich. Die Syntronik richtete den Mast von neuem aus. Schon kam wieder Bewegung zustande, diesmal deutlich langsamer und in entgegengesetzter Richtung.
    Aber Lindorn ließ die Schnüre los. Der Mast klappte in sich zusammen. Nachdenklich wanderte er eine Stunde lang in den Gletscherhängen herum. Die optimistische Stimmung von eben kippte, weil etwas in ihm rebellisch wurde. Pax Terra. Was nutzte ihm dieser Zustand? Irgendwie schien seinem Leben der Sinn zu fehlen. Doch der Eisgleiter war etwas, das ihm half, das die Abenteuer seiner Kindheit zurückbrachte.
    Seine Kindheit, ja. Die Jahre im staatlichen Erziehungstechnikum, frei von elterlicher Paranoia, frei von Streß. Schade nur, daß so viele Details mit den Jahren verschwommen waren.
    Dann trat er die Rückfahrt an.
    Der Zwischenfall ereignete sich nach hundertachtzig Kilometem. Eine Sekunde lang hatte er das Topo-Display aus den Augen gelassen. Der Fehler rächte sich bitter. Mit einem kurzen Satz passierte der Segler eine schiefe, karstige Eisbahn, geriet dabei ins Schleudern und kippte.
    Berstende Geräusche betäubten ihn halb.
    Er spürte nur noch, daß er flog.
     
    *
     
    Der Schrei eines Eisvogels weckte ihn. Beißende Kälte schnitt in seine Gesichtshaut. Der Reihe nach spannte er alle Muskeln kurz an und horchte in sich. Lindorn öffnete die Augen. Er war in Ordnung, so schien es jedenfalls.
    Stöhnend rappelte er sich auf. Prellungen und Blutergüsse, stellte er fast unbeteiligt fest, vielleicht ein verstauchter linker Fuß. Das allerdings war unwichtig, denn im Eissegler brauchte er die Beine nicht.
    Der Segler!
    Lindorn fuhr herum. Erst jetzt legte sich seine Benommenheit vollends. Da lag das Gefährt umgestürzt, es war nach dem unfreiwilligen Salto auf zwei der vier Kufen gelandet. Die dritte Stütze bildete der Teleskopmast. „Verdammt!" fluchte er. In der menschenleeren Kälte hörte sich der Fluch dünn an. Ein Fahrfehler hatte ihn in diese Situation gebracht, doch eigentlich hätte der Syntron eine solch grobe Fehlreaktion bereinigen müssen.
    Er umrundete hinkend den Segler, dachte kurz nach - und hängte sich probeweise an die beiden Kufen, die in die Luft ragten. Kein Erfolg. Noch stürzte das Ding nicht zurück.
    Zu Fuß allerdings konnte er den Heimweg schlecht antreten. Lindorn fiel die Notfunkausrüstung ein. Savanna sollte ihn abholen lassen; den Segler mußten die Lastbots bergen. Das Luk im Rumpf war verklemmt. Er hämmerte mit aller Kraft dagegen. Zunächst erfolglos, aber dann sprang die Klappe auf.
    Sämtliche Gegenstände fielen heraus.
    Er suchte das kleine Funkgerät aus dem Schnee und aktivierte es. Jedenfalls hatte er es aktivieren wollen; die Funktionskontrolle zeigte keine Reaktion. Ein Kontrollfenster auf optischer Basis zeigte: KEINE LADUNG, ZEL-LE ERNEUERN.
    Zorn erwachte in ihm. Wie war das möglich? Schlamperei im syntronischen Zeitalter? Nun gut, dachte er, wohl oder übel mußte er den Segler aufrichten. Bis Savanna mißtrauisch wurde und ihn abholen kam, wollte er nicht warten. Das konnte Stunden dauern.
    Der Reihe nach untersuchte er sämtliche Gegenstände, die im Schnee gelandet waren. Darunter befand sich auch ein langes Stück Ersatzschnur für die Steuerung.

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