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1491 - Transit nach Terra

Titel: 1491 - Transit nach Terra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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bekannten Formationen im Eis Ausschau zu halten. Nichts. Die Gegend kam ihm so unbekannt vor wie alles, was er im Laufe des Tages gesehen hatte.
    Als vor ihm eine Verwerfung auftauchte, die viele Kilometer weit in beiden Richtungen seine Weiterfahrt unmöglich machte, begriff er, daß er sich verirrt hatte.
    Lindorn stoppte den Segler. Er stieg aus und kletterte auf den Rand der Verwerfung. Links und rechts zog sich ein weiter, tiefer Graben hin. Es war eine riesige Gletscherspalte. Den Graben konnte er nicht überwinden; jedenfalls nicht mit dem Segler. Und zu Fuß wäre er verloren, das begriff er mit einemmal. „Oh, verdammt... dreimal verdammt!"
    Seine Stimme klang dünn und kraftlos.
    Lindorn kletterte hinunter zum Segler. Er folgte einer Eingebung und nahm den Kompaß zur Hand.
    Norden, Westen, Süden, Osten. Der Reihe nach drehte er sich in die entsprechenden Richtungen und verglich den Stand der Sonne. Sein Verdacht verdichtete sich zur Gewißheit. Der Kompaß stimmte nicht.
    Seine Anzeigen hatten sich um siebzig Grad im Uhrzeigersinn verschoben. Er hatte nördlich steuern wollen - war in Wahrheit aber nach Osten gefahren.
    Warum reagierte Savanna nicht?
    Nach mehr als zwölf Stunden hätte die semitelepathische Syntronik längst merken müssen, daß etwas faul war. Es sei denn, daß Absicht dahintersteckte, von wem auch immer.
    Lindorn spürte, wie in ihrh eine Wandlung vor sich ging. Der Abenteurer wich dem Strategen, dem Arialytiker. Ein paar Minuten lang setzte er sich auf einen Hügel aus Pulverschnee und schenkte der beißenden. Kälte kein Beachtung.
    Seine Heizkombi hielt die wichtigsten Körperstellen warm. Er dachte nach. Dann erhob er sich und öffnete nochmals die Klappe, in der er Kompaß und Notausrüstung gefunden hatte. Mit akribischer Genauigkeit untersuchte er jeden Gegenstand, sogar die Plast-Wände selbst.
    Kein Ergebnis.
    Er nahm sich das Cockpit vor und wiederholte den Vorgang. Auch hier ergebnislos. Doch er dehnte die Suche auf Rumpf und Segel aus. Neunzig Minuten vergingen. Am Bug schließlich hatte er Erfolg: Die zwei winzigen, kaum sichtbaren Erhebungen bestätigten seine Theorie. Lindorn versuchte. sie abzukratzen, aber sie saßen zu fest. Es handelte sich um Positionssender. Irgend jemand hatte sie nachträglich angebracht.
    Jemand, der von vornherein gewußt hatte, was geschehen würde. Der gewußt hatte, daß der Kompaß defekt war. Daß die Syntronik des Seglers falsch reagieren würde.
    Mit anderen Worten: Der Unfall war Sabotage. Lindorns Gesichtszüge versteinerten. Er drehte sich langsam um und sah in die Richtung, in der er die Station vermutete.
    Ein Eisvogel kreischte und flatterte auf; als hätte er die Wut gesehen, die in seinen Augen lag. Lindorn setzte sich in den Schalensitz zurück. Er schloß die Augen und versuchte, ein paar Stunden lang zu schlafen.
    Windstöße schleuderten Eis gegen seine geschlossenen Lider. Ein Sturm kam auf. Er stand auf, schlang aus der Notverpflegung ein paar Konzentrate hinunter und trank etwas. Topform brachte er nicht gerade, dachte Lindorn sarkastisch.
    Er versuchte, trotz allem seine Position zu bestimmen. Mit riesigen Toleranzwerten legte er eine Position fest, die von der Station etwa funfhundert Kilometer entfemt war.
    Nun kam es darauf an, ob er richtig gerechnet hatte. Die Kompaßwerte verlegte er um siebzig Grad gegen den Uhrzeigersinn, dann sollte es stimmen. Ein paar Minuten lang wünschte sich Lindorn in seine gewohnte, höchsttechnisierte Umgebung zurück. Zwischen Syntroniken, Botgeschwadern und Genlabors kannte er sich aus. Nicht hier, im ewigen Eis.
    Der Segler nahm Fahrt auf.
    Zwischen Eintönigkeit und stellenweise bizarren Formen glitt die Landschaft vorbei. Lindorn lenkte vorsichtig, unter ständiger Beachtung von Windrichtung und -geschwindigkeit. Sechs Stunden später erreichte er das Gebiet, in dem er die Station vermutete.
    Unglaublicher Zorn hatte sich in ihm aufgestaut; und er wußte auch schon, in welche Richtung er ihn lenken konnte. Mit einemmal war alles klar.
    Täter und Motiv.
    Weitere sechs Stunden irrie er zwischen Schneedünen und Gletschern umher. Kein Zeichen von Savanna. Inzwischen wurden seine Hände taub, unfähig, der ungewohnten Belastung durch die Steuerschnüre weiter standzuhalten.
    Endlich schlug etwas in seinem Gedächtnis an. Aus einiger Höhe blickte er auf eine prägnant geformte Senke hinab. Dieses Tal kannte er; es befand sich ungefähr dreißig Kilometer von der Station entfernt.

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