1492 - Vampir-Attacke
Neuland gestoßen sind und wir das Terrain erst noch sondieren müssen. Möglich ist alles. Das Leben ist keine Rutsche, die nur nach einer Seite hin in die Tiefe führt. Es gibt da verdammt viele Variationen.«
Es hätte ein unendliches Thema werden können, aber das wollte ich nicht. Ich brauchte Fakten. Bisher wussten wir einfach zu wenig über diese verdammte Gestalt. Sie wollte Blut, sie schoss rücksichtslos, aber sie musste auch einen Namen haben und eine Vita, obwohl das für einen Blutsauger irgendwie nicht passte.
Ich dachte daran, meine Zelte hierbei Jane abzubrechen, als sich die Tür öffnete und Justine zurückkehrte. Was sie in der Zwischenzeit getan hatte, gab sie uns mit keinem Blick und auch nicht mit ihrer Haltung zu verstehen. Erst als sie in unsere Gesichter gesehen hatte, fing sie an zu lächeln.
»Erfolg gehabt?« fragte ich.
»Ja.« Sie schaute zum Fenster hin, obwohl dort nichts zu sehen war. »Ich glaube, mich erinnern zu können. Mein Artgenosse hat einen Namen. Er heißt Ramon.«
Jane und ich zuckten zusammen. Mit dieser Auskunft hatten wir nicht gerechnet.
»Ramon…«, hakte ich nach, »… das hört sich spanisch an.«
»Kann sein.«
»Und was weißt du noch über ihn?« erkundigte sich Jane, die nach dieser Frage angelächelt wurde.
»Nichts«, sagte die Cavallo. »Ich weiß nichts über ihn. Noch nicht. Es kann ja sein, dass mir etwas einfällt oder ich ihn noch mal treffe. Da wir uns so gleich sind, lässt sich das wohl nicht vermeiden.«
»Dann sag mir Bescheid.«
Sie lachte mich an. »Bist du lebensmüde?«
»Bis jetzt noch nicht, und ich denke, es auch nicht zu werden.«
Es war so gut wie der letzte Satz, den ich in diesem Haus sagte, denn ich wollte verschwinden.
Jane brachte mich bis zur Tür, zog sie auch auf und suchte den Himmel ab.
»Danke, dass du dir Sorgen um mich machst, meine Liebe, aber nötig ist das nicht.«
Sie umarmte mich. »Wer weiß, John. Auch du bist nicht kugelfest.«
»Stimmt, und das ist manchmal ein Nachteil.«
Der Regen rieselte nur noch aus den dicken Wolken. Ich lief durch den Vorgarten und stieg in meinen Wagen. Es war auf dem kurzen Weg nichts passiert, aber das kalte Gefühl im Nacken wollte trotzdem nicht weichen. Und es würde so lange anhalten, wie dieser Ramon noch existierte. Damit musste ich nun mal leben.
Als ich am Haus vorbeifuhr, stand Jane noch immer in der offenen Tür und winkte mir zu. Ich grüßte kurz zurück.
Der nächste Weg würde mich in meine Wohnung führen, und ich dachte darüber nach, ob ich Suko nicht wecken und ihm Bescheid geben sollte.
In der Tiefgarage, wo niemand auf mich lauerte, entschied ich mich anders. Morgen war auch noch ein Tag…
***
Der Tag war beschissen gelaufen, richtig scheiße, wie Laura Willis zu sagen pflegte. Es reichte auch nicht, dass sie fluchte, denn das brachte sie auch nicht weiter. Sie konnte es nicht ändern. Es gab eben Tage wie diesen, und wenn noch ein Mistwetter hinzukam, umso schlimmer.
Der Regen war plötzlich gefallen. Zudem wehte der Wind die nassen Bahnen in Lauras Gesicht. Er tränkte auch den Stoff des Rucksacks, der schlaff auf ihrem Rücken hing.
Ein Tag ohne Beute. Nicht mal ein paar lausige Touristen-Euros.
Da waren die Tage vor dem Jahreswechsel doch anders gewesen. Da hatten die Touristen die Stadt überschwemmt, und Laura hatte gute Beute machen können, wobei sie einmal beinahe erwischt worden wäre und nur mit Glück entkommen war, weil ihr Verfolger auf einer Bananenschale ausgerutscht war.
Sie konnte auch nicht bis zur nächsten Vorweihnachtszeit warten.
Sie musste das Jahr überleben, und bisher hatte sie es schon zwölf Monate lang geschafft nach ihrem Ausbruch aus dem Jugendknast in Liverpool.
Danach hatte sie sich sofort abgesetzt und war in Richtung Süden geflohen. Ihren achtzehnten Geburtstag hatte sie versteckt auf der Ladefläche eines Lasters gefeiert. Wenig später war sie dann im Moloch an der Themse untergetaucht und hatte sich hier ein neues Revier gesucht und auch gefunden.
Sie lebte zusammen mit drei anderen Typen in einer Wohngemeinschaft.
Sie war die einzige Frau. Mit zwei ihrer Nachbarn hatte sie geschlafen, der dritte war schwul und wollte nichts von ihr.
In dieser Nacht lief nichts, aber die menschlichen Gelüste ließen sich nicht ausschalten. Das Wühlen im Magen deutete auf einen starken Hunger hin, und der musste gestillt werden.
Genügend Geld trug sie noch bei sich. Knapp über fünfzig Pfund, aber sie musste auch
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