1492 - Vampir-Attacke
nicht für deinen Meister Ramon.«
»Er ist der Größte!«
»Nicht mehr, Laura.«
Sie konnte nicht anders und musste etwas unternehmen. Zuerst hörten wir ihren Schrei, dann warf sie sich uns entgegen. Ihr eigentliches Ziel war Suko, und sie wollte ihm die Fingernägel in die dünne Haut der Kehle stoßen, um sie aufzureißen.
Ich hätte schießen können, aber ich überließ Suko die Blutsaugerin, die wohl noch kein fremdes Blut in sich spürte.
Mein Freund wich ihr aus. Sie stolperte an ihm vorbei, und dann erwischten sie die drei Riemen im Rücken. Sie hielt sich noch für einen Moment auf den Beinen, dann drang ein jaulender Laut aus ihrem Mund, der schon Mitleid erregen konnte.
Sie fand keine Kraft mehr, sich auf den Füßen zu halten. Als hätte man ihr einen Tritt versetzt, verlor sie den Halt. Sie stolperte über die eigenen Füße, prallte noch gegen die Wand und sackte daran entlang zu Boden. Auf dem Bauch blieb sie liegen.
Dort, wo sie von den drei Riemen getroffen worden war, zeichneten sich glühende Streifen ab, was bei dem dünnen Oberteil sehr gut zu sehen war.
»Das ist es gewesen«, sagte Suko.
Ich nickte und überließ es meinem Freund, die Gestalt auf den Rücken zu drehen.
Unsere Blicke trafen das Gesicht. Es hatte sich nicht verändert.
Aber es zeigte jetzt einen friedlichen Ausdruck. Da war nichts mehr von einer Gier oder einem Hass zu sehen. Man konnte sagen, dass die Kraft der Peitsche sie wirklich von ihrem Schicksal erlöst hatte.
»Für sie ist es das gewesen«, murmelte Suko wie im Selbstgespräch. »Nur nicht für Ramon.«
Ich gab ihm auf diese Bemerkung keine Antwort und ging auf das zerstörte Fenster zu, durch das ich hinausschaute und meinen Blick über die Dächer und Fassaden schweifen ließ.
Die Dämmerung hatte sich fast verabschiedet. Über London lag ein dunkelgrauer Himmel, der nur an bestimmten Stellen noch einige helle Flecken aufwies. Auch sie würden bald verschwunden sein.
In der Umgebung war es ruhig. Einige Menschen hielten sich im Hinterhof auf. Sicher war auch das Bersten des Fensters gehört worden, dessen Scherben sich im Raum verteilten.
Ramon war feige.
Ich hätte mir einen Angriff von seiner Seite gewünscht, aber er hielt sich zurück. Bestimmt stand ich unter Beobachtung, was mir nicht gefiel, wenn ich an seine Pistole dachte und an die hinterhältigen Anschläge auf uns.
»Und? Was zu sehen?« fragte Suko.
»Nein. Ramon lässt sich nicht blicken.«
»Und was jetzt?«
Ich drehte mich vom Fenster weg und hob die Schultern. Gern tat ich es nicht, aber mir blieb nichts anderes übrig. Wir waren die Verlierer, obwohl wir einen Teilsieg errungen hatten.
»Worüber ich mir Gedanken mache«, sagte Suko, »ist sein Fliegen. Ich frage mich, wie so etwas möglich ist, sollte er nicht ein Himmelsbote, ein Engel, sein.«
»Nein, das glaube ich nicht. Er ist ein Vampir. Er wird irgendwo gelauert haben. Justine kennt ihn. Von ihr weiß ich seinen Namen, aber sie hat mir nicht verraten, woher er kommt und wo er sich in der letzten Zeit verkrochen hat.«
»Ich hätte da eine Idee.«
»Welche?«
Suko lächelte etwas mokant. »Ich könnte mir vorstellen, dass er ein Geschöpf ist, das uns aus einer bestimmten Welt geschickt wurde.«
»Du meinst die Vampirwelt?«
»Welche sonst?«
Ich runzelte die Stirn. »Ja, das ist möglich. Mallmann hat sich verdammt lange zurückgehalten, und das sicherlich nicht ohne Grund.«
»Er hat seine Welt weiterhin aufbauen wollen. Wobei ich mehr an die Infrastruktur denke. Bewohner eingeschlossen. Er kann sie dort trainieren, bis sie so weit sind, dass er sie zu uns schickt. Und sie können fliegen…«
Den spöttischen Tonfall hatte ich nicht überhört. »Was meinst du damit, Suko?«
»Dass wir an unsere Grenzen gelangt sind. Ich kann mich nicht ans Fenster stellen und nach draußen fliegen. Das aber schafft er, John. Wie sollen wir uns dagegen wehren?«
Ich musste passen.
Auch Suko sagte nichts mehr. Wir beide waren verdammt allein in unserem Frust. Meine Gedanken glitten zu Jane Collins und schlossen auch Justine Cavallo mit ein. Halblaut sprach ich zu mir selbst:
»Vielleicht sollten wir uns mit Jane und Justine in Verbindung setzen. Kann ja sein, dass sie mehr wissen.«
»Bitte, versuch es.«
Ich holte mein Handy hervor und hörte gleich darauf die Stimme der Detektivin.
»Wo steckst du, John?«
Ich erklärte es ihr.
»Und?«
»Ein Teilerfolg.«
»Lass hören.«
In der folgenden Minute sagte ich ihr,
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